Bochum. Bei der Ruhr-Startupweek stehen auch „erwachsene“ junge Firmen im Fokus. Wie Physec aus Bochum Stromzähler vor Manipulationen schützt.
Die Bochumer Studenten Heiko Koepke und Christian Zenger hatten im Jahr 2014 den richtigen Riecher. Sie wollten Sicherheitssysteme für das Internet der Dinge entwickeln. Seinerzeit steckten die Vernetzungs- und Steuerungsmöglichkeiten von Gegenständen via Sensoren noch in den Kinderschuhen. Sie gründeten 2016 dennoch in Bochum ihr Unternehmen Physec, das inzwischen über 40 Mitarbeitende, beim Umsatz die Millionenmarke überschritten, eine Reihe von Gründerpreisen eingeheimst hat und in der Sprache der Start-up-Welt zu den „Grown-ups“, den erwachsenen jungen Unternehmen zählt.
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Die beiden Gründer brachten die Fähigkeiten mit, die beim Schritt in die Selbstständigkeit nicht fehlen dürfen: eine große Portion Mut und die Idee für eine digitale Innovation. „Ich fand die Forschungen zur Sicherheit des Internets der Dinge extrem spannend, weil es ein absolutes Zukunftsfeld ist“, erzählt Koepke. „Unser großer Vorteil war, dass wir auf einem Markt tätig sind, den es bei unserer Gründung noch gar nicht gab. Wir waren also von der ersten Stunde dabei.“
Sensoren ersetzten Plombe am Zähler
Der gebürtige Hattinger, der in Sprockhövel aufwuchs, und sein Kollege schauten sich zunächst smarte Wasser- und Stromzähler an, die das Ablesen durch Menschen überflüssig machen und Informationen über den Verbrauch zu allen Tageszeiten liefern. „Smarte Wasser- und Stromzähler sind oft ungeschützt im Keller installiert. Mit unseren Sensoren lässt sich digital überprüfen, ob sie beschädigt oder manipuliert wurden. Das ersetzt die Plombe an herkömmlichen Zählern“, sagt der Geschäftsführer. Per Funk können die Betreiber erkennen, ob das Gehäuse der Zähler verändert wurde und vor Ort nachschauen.
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Die Sicherheitstechnik kam gut an. Physec wuchs schnell. „Unsere Kernkunden sind Stadtwerke, Versorger und Netzbetreiber, aber auch die Autoindustrie“, erklärt Koepke. Fünf Jahre nach der Gründung planen sie den Umzug innerhalb Bochums – zum ehemaligen Opel-Gelände Mark 51/7. Dort konzentrieren sich gerade einige der zahlreichen renommierten Unternehmen und Institute aus der IT-Sicherheit, die noch verstreut über die Stadt residieren. Man will voneinander profitieren.
Vom Start-up zum Grown-up
Physec hat sich in nur fünf Jahren zur einer Marke in der Branche der IT-Sicherheit entwickelt. „Wir sind kein richtiges Start-up mehr, versuchen aber, möglichst viel aus dieser Kultur zu erhalten: Agilität, flache Hierarchien und Umgangsformen“, unterstreicht Koepke. Als Grown-up denkt das junge Team (Koepke ist mit 37 Jahren der Zweitälteste in der Firma) aber im Traum nicht daran, Bochum zu verlassen. „Es gibt gute Gründe, nicht nach Berlin zu gehen und stattdessen im Ruhrgebiet zu bleiben.“ Einer davon sei die „akademische Vielfalt“ im Revier, die Physec die begehrten Fachkräfte beschere.
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Die Bochumer sind bei weitem nicht die einzigen, sich nach der Gründungsphase etabliert haben. „Wir stellen fest, dass sich die Start-up Szene im Ruhrgebiet stets weiterentwickelt. Natürlich gibt es weiterhin junge Unternehmerinnen und Unternehmer, welche neu gründen oder sich jetzt mit dem Gründungsthema auseinandersetzen möchten. Vier Jahre später beobachten wir jedoch, dass der Anteil an Grown-ups im Ruhrgebiet steigt“, sagt Svenja Tietje, Geschäftsführerin des Ruhrhub. Die vom NRW-Wirtschaftsministerium und den sechs Ruhrgebietsstädten Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen und Mülheim getragene Plattform unterstützt und begleitet die Gründerszene im Revier.
Während der Ruhr-Startupweek vom 20. bis 24. September will sich der Ruhrhub in diesem Jahr mit Veranstaltungen gezielt auch an Grown-ups wenden. Sie haben in der Regel die schwierige Anfangsphase überwunden, Investoren gefunden, können Referenzprojekte und auch eine wirtschaftliche Profitabilität vorweisen.
Zu den erwachsenen Start-ups zählen auch die Motion Miners aus Dortmund. Das im Jahr 2017 gegründete Unternehmen analysiert Arbeitsprozesse etwa für Logistikunternehmen. Dafür werden Menschen und Umgebungen mit Sensoren ausgestattet, um anonymisiert Daten etwa zu Körperhaltung, wiederkehrenden Prozessen, genutzten Hilfsmitteln und benötigter Zeit erfassen zu können. Daraus leiten die Motion Miners Empfehlungen zur Verbesserung der Ergonomie und Effizienz dieser Prozesse ab.
Erfolgreich sind auch Motion Miners und Point 8
Inzwischen betreut das rund 30-köpfige Team Kunden von Italien bis Malaysia. Mit ihrer innovativen holten die Dortmunder inzwischen bereits renommierte Preise. Im vergangenen Jahr zeichnete sie NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) als eines der besten digitalen Start-ups des Landes aus.
In Dortmund ansässig ist auch Point 8. Die Physiker und Mathematiker beraten Unternehmen bei der digitalen Transformation und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Große Konzerne wie die Deutsche Bahn, Amprion, Siemens oder Hailo nutzen das Know-how des Grown-ups.
>>> Ruhr-Startupweek vom 20. bis 24. September
Mit 60 Events rund um das Gründen startet die Ruhr-Startupweek am Montag, 20. September, und endet am Freitag, 24. September.
Wegen der Corona-Pandemie finden die Veranstaltungen hybrid statt - vor Ort in Bochum, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf Essen, Gelsenkirchen und Mülheim.
Der Ruhrhub als Organisator bittet darum, dass sich Interessierte unbedingt vorher online anmelden. Einen ausführlichen Terminkalender gibt es online unter ruhrhub.de/ruhrstartupweek-kalender.