Bottrop. Viele Mieter können nicht noch mehr für die Wohnung zahlen, meint Burkhard Drescher. Im WAZ-Podcast erklärt er, wie das funktionieren kann.
Die Mieten steigen seit Jahren – weil es zu wenige Wohnungen gibt, aber auch weil ein Teil der immensen Kosten für die energetische Sanierung der Häuser umgelegt wird. Um Wohnen bezahlbar zu halten, macht Burkhard Drescher, Geschäftsführer von Innovation City Bottrop und Kenner der Immobilienbranche, im WAZ-Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ einen bemerkenswerten Vorschlag.
„Man muss immer einen Kompromiss zwischen Mieter und Vermieter finden“, fordert Drescher. „Die Leute können zum Teil nicht noch mehr Miete bezahlen.“ Um die Mieter mit umgelegten Kosten für die Fassadendämmung, die neuen Fenster, das neue Dach und die moderne Heizungsanlage nicht zu überfordern, regt er eine Zwischenlösung an: Die Miete soll nur um den Betrag erhöht werden, den die Mieter durch geringere Heizungskosten einsparen.
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Drescher ist davon überzeugt, dass mit diesem Kompromiss beide Seiten leben könnten: Die Hauseigentümer, die ihre energetischen Investitionen refinanzieren müssen, und die Bewohner, deren Mieten nicht noch weiter steigen. Ob sein Modell politisch eine Chance hat, ist ungewiss. Nach gültiger Gesetzeslage darf die Monatsmiete aufgrund von Modernisierungen innerhalb von sechs Jahren um maximal drei Euro pro Quadratmeter steigen. Liegt die Miete unter sieben Euro, beträgt die Umlage maximal zwei Euro.
Innovation City halbiert CO2-Ausstoß in Bottrop
Als Chef von Innovation City hat Drescher in den vergangenen zehn Jahren eine Menge Erfahrungen gesammelt, wie Eigentümer motiviert werden können, ihre Häuser klimafreundlich zu modernisieren. Im Bottroper Projektgebiet mit 70.000 Einwohnern ist es gelungen, seit 2011 den Ausstoß des klimaschädlichen CO2 um die Hälfte zu senken und damit deutlich schneller als im Bundesdurchschnitt. Im Podcast verrät der 70-Jährige das einfache Rezept: „Die Energiewende muss von unten kommen.“ Mit lokalen Beratungs- und Förderangeboten vor Ort sei das in Bottrop gelungen. „Wir haben die Leute mit dem Thema gefangen“, bilanziert Drescher. „Wir sind von Haus zu Haus gegangen und von Quartier zu Quartier.“
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Trotz aller Erfolge in Bottrop warnt der Geschäftsführer vor überzogenen Erwartungen. „Alte Gebäude wird man nicht gänzlich klimaneutral umbauen können“, sagt er. Um die CO2-Bilanz dennoch zu verbessern, müssten Eigentümer etwa über Photovoltaikanlagen selbst Energie erzeugen. „Das Ruhrgebiet kann sich zweimal mit Strom versorgen, so viel Potenzial ist auf den Dächern“, meint Drescher. Er vermisse aber die Bereitschaft der Bundesregierung und des Bundestags, die Regeln für die Erzeugung von Mieterstrom nachhaltig zu vereinfachen.
Drescher fährt E-Auto und heizt autark
Und wie verbessert der Chef von Innovation City seine ganz persönliche Umweltbilanz? Drescher fährt ein Elektroauto, das er mit grünem Strom betankt, und steigt häufiger mal aufs Fahrrad. Sein Privathaus in Oberhausen beheizt er weitgehend autark mit Solarthermie und einer Wärmepumpe. „Viel mehr kann man nicht machen“, räumt er ein.
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Drescher hat den klimagerechten Umbau von Stadtquartieren inzwischen zum Exportschlager gemacht. Abseits von Bottrop hat Innovation City 30 Projekte in Ruhrgebietsstädten unter Vertrag. Die Expertise des Teams ist aber auch in Hamburg, Osnabrück, Dormagen, Eschweiler und sogar in Luxemburg gefragt. Interessierte aus vielen Ländern der Welt schauten sich in Bottrop um, um sich dort Anregungen zu holen.
Chemiker, Lehrer, Oberbürgermeister, Immobilien-Manager
Die Bodenhaftung hat Drescher während seiner ungewöhnlichen Karriere aber nie verloren: Chemielaborant, Abitur auf dem zweiten Bildungsweg, Studium, Lehrer, Oberstadtdirektor und später Oberbürgermeister von Oberhausen, Immobilien-Manager bei der RAG, Chef des Wohnungskonzerns Gagfah und Unternehmensberater waren seine Stationen. „Ich lebe gern im Ruhrgebiet, weil ich hier alles habe, was ich brauche“, sagt der gebürtige Neusser, der erst mit Ende 30 ins Revier kam.
>>> Aufsichtsrat bei Vonovia
Burkhard Drescher gehört als Aufsichtsrat auch zu den Kontrolleuren des Bochumer Immobilien-Riesen Vonovia. Er steht hinter der Strategie von Vorstandschef Rolf Buch, mit der geplanten Übernahme des Rivalen Deutsche Wohnen zum größten Wohnungskonzern Europas aufzusteigen.
„Wenn Vonovia weiter die Ziele verfolgt, soziale Wohnbedingungen zu garantieren und in die energetische Sanierung zu investieren, kann ich mich damit identifizieren“, sagte der 70-Jährige im WAZ-Podcast „Die Wirtschaftsreporter“. Mit seinem Gewissen sei besser zu vereinbaren, wenn Vonovia mehr als eine halbe Millionen Wohnungen verwalte als eine Private-Equity-Firma, „die nur Cash im Kopf hat“.