Mülheim. Die Foto-Branche hat besonders unter Corona gelitten. Zwei Azubis schnitten dennoch mit 1,0 ab. Warum die jungen Frauen voller Zuversicht sind.
Als Davina Sowieja und Stella Scheibenzuber im Sommer 2018 ihre Ausbildung zu Fotografinnen begannen, ahnten sie nicht einmal, dass die Corona-Pandemie schon bald ihr gerade gestartetes Berufsleben auf den Kopf stellen würde. Und sie ließen sich nicht träumen, dass sie trotz Homeschooling und weggebrochener Aufträge in ihren Mülheimer Betrieben die Ausbildung jeweils mit einer glatten Eins abschließen würden.
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„Als die Ämter im ersten Lockdown geschlossen waren und niemand mehr verreiste, gingen nicht einmal mehr Passbilder“, erinnert sich Elisabeth Harbecke. Die ehemalige Gesellin hatte gerade erst zum 1. Januar 2021 das bislang familiengeführte Geschäft Photo Mengede in der Mülheimer Innenstadt übernommen, als Ende März sämtliche Aufträge wegbrachen: Hochzeiten, Familienfeiern, Jubiläen, Schulentlassungsfeiern. „Das Telefon stand nicht still. Alle sagten ab“, erinnert sich Harbecke.
Doch die Jung-Unternehmerin ließ sich ihren Optimismus nicht nehmen. „Ich konnte langsam in die neue Verantwortung hineinwachsen“, sagt sie und sich trotz Lockdowns und eines nahezu leeren Auftragsbuchs ihren drei Auszubildenden widmen. Davina Sowieja hatte zuvor ihre Ausbildung zur Ergo-Therapeutin abgebrochen, um „mein Hobby zum Beruf“ zu machen: die professionelle Fotografie.
„Entscheidung nie bereut“
Auch Stella Scheibenzuber ließ sich keine Sekunde von der Pandemie abschrecken. „Ich fotografiere sehr gern und habe ein Auge für gute Motive“, erzählt sie selbstbewusst. Für sie war es keine Frage, dass sie trotz mehrerer Lockdowns ihre Ausbildung bei PR Fotografie Köhring in Mülheim zu einem erfolgreichen Abschluss bringen würde. „Ich habe meine Entscheidung nicht bereut“, sagt Scheibenzuber.
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Dabei hatte auch das Studio schwer unter dem Stillstand des öffentlichen Lebens zu leiden. „Wenn die Leute nicht zum Friseur gehen können, lassen sie sich auch nicht fotografieren. Schon gar nicht mit einer Maske im Gesicht“, sagt Inhaber Andreas Köhring mit einem verhaltenen Lächeln. Unternehmen, für die er Fotos liefert, stellten ihre Aufträge zurück. Das Fotostudio hielt sich dennoch über Wasser. „Wir hatten nie komplett zu“, erinnert sich die damalige Auszubildende Scheibenzuber, die weiterhin Gelegenheit hatte, Bilder zu machen – wenn schon die Berufsschule in Essen nur über den Bildschirm funktionierte. Die Praxis unter Anleitung sollte sich am Ende positiv auf ihren Abschluss auswirken.
Kein Ausbildungsvertrag für das neue Lehrjahr
„Wir waren zu 20 in der Klasse“, erinnert sich ihre Kollegin Davina Sowieja. Ob das nach den Sommerferien noch so sein wird, ist fraglich. Andreas Köhring ist auch Obermeister der Innung Berufsfotografen Ruhr, die das westliche Ruhrgebiet abdeckt. „Für das neue Ausbildungsjahr haben wir im Bezirk bislang keinen einzigen Vertrag abgeschlossen“, beklagt er. „Die Entwicklung ist dramatisch.“ Corona habe viel Unsicherheit in der Branche verbreitet. Dabei stand die Zunft der Berufsfotografen schon vor der Pandemie massiv unter Druck.
„Im westlichen Ruhrgebiet gibt es 640 Fotografenbetriebe, aber nur elf gehören der Innung an“, erklärt Köhring. Es seien zumeist Solo-Selbstständige, die vom heimischen Wohnzimmer aus arbeiteten. „Es gibt keine Meisterpflicht und keine Hürde, sich selbstständig zu machen“, erklärt Fotografin Elisabeth Harbecke. Deshalb bleibe die Ausbildung oft auf der Strecke. Nach Zahlen der Handwerkskammer gab es zuletzt bundesweit gerade einmal 654 Fotografen-Azubis und 400 Gesellenprüfungen.
Warum es auf Feingefühl ankommt
Selbstredend sind die Profis davon überzeugt, dass eine Ausbildung für den Beruf unverzichtbar sei. „In den drei Jahren erwerben die Azubis ein unglaubliches Fachwissen und lernen vor allem auch die weichen Faktoren, wie man mit den Menschen umgeht, die man fotografiert“, erklärt Köhring. „Feingefühl“ nennt es die frisch gebackene Gesellin Davina Sowieja, das sie sich während der Lehre angeeignet habe. „Es geht nicht nur um das richtige Licht. Ich muss die Menschen auch vorteilhaft fotografieren. Dafür brauche ich ein Auge.“
Ihre Ausbildung wollen beiden jungen Fotografinnen nicht missen. Nach den schweren Corona-Monaten und mit dem Gesellinnenbrief in der Tasche schmieden sie Pläne für die Zukunft. Stella Scheibenzuber will zunächst einmal im Fotostudio Köhring weiterarbeiten. „Mal sehen, wohin ich meine Fühler ausstrecke“, sagt sie fröhlich.
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Davina Sowieja hat gleich zum 1. Juli ihre eigene Agentur in Heiligenhaus gegründet. Ganz allein mit kleinem Studio in der eigenen Wohnung. „Ich hatte nie einen Plan B“, betont sie. Als Kleingewerbetreibende sei sie zunächst von der Gewerbesteuer befreit. Das helfe beim Start in die Selbstständigkeit. Sowieja hat sich gleich in die Welt der sozialen Medien gestürzt, fotografiert Influencer, die wiederum Werbung für ihre kleine Firma machen.
Stella Scheibenzuber und Davina Sowieja konnten mit ihren glatten Einsern in den Zeugnissen kaum mehr erreichen. Beide haben jetzt nur einen Wunsch: „Hoffentlich kommt im Herbst nicht die vierte Corona-Welle.“