Lünen. Der Dortmunder Engin Ergün erfindet die Marke 4Bro, die viel mehr als nur Eistee und Snacks zu sein scheint - ein echtes Lebensgefühl.

Engin Ergün wird an diesem Samstag vermutlich gespannt auf die Ergebnisse der Fußball-Regionalliga-West schauen. Er drückt Rot-Weiss Essen die Daumen, obwohl der 48-Jährige in Dortmund lebt und die BVB-Amateure im Rennen um den Aufstieg in die 3. Liga bessere Karten haben. Ergün ist Geschäftsmann, Sponsor des Essener Traditionsclubs und vor allem Erfinder der Lifestyle-Marke „4Bro“.

Erst vor einem Jahr gegründet, legt die Marke 4Bro einen kometenhaften Aufstieg hin und steht jetzt mit Produkten wie Eistee mit Mango-Maracuja oder der aktuellen Lieblingsgeschmacksrichtung des Chefs, Honey-Melon (Honigmelone), vor dem Durchbruch im internationalen Geschäft.

Klares Ziel: Selbstständigkeit

Der Marketingspezialist und Chef des Unternehmens Ethno IQ mit Sitz in Lünen trifft den Nerv junger Leute. Durch Zufall. Ergün bezeichnet sich selbst als Kind des Ruhrgebiets. Geboren in Datteln als Sohn eines türkischen Einwanderers, der im Alter von 17 Jahren nach Deutschland kommt, um im Bergbau zu arbeiten; der es bis zum Steiger bringt und Wert darauf legt, sein Leben in die Hand zu nehmen und etwas daraus zu machen – genau wie sein Sohn.

Der junge Engin baut sein Abitur, beginnt sein Studium der Betriebswirtschaft und schnuppert als Praktikant beim Mobilfunkanbieter E-Plus rein. Den Abschluss in der Tasche, arbeitet Ergün von 2000 bis 2004 für E-Plus, hätte dort vermutlich Karriere machen können. Eines weiß er damals schon genau: „Ich wollte selbstständig sein.“ Er arbeitet als Berater für Siemens, dann auch beratend für E-Plus, für die er die Marke „Ay Yildiz“ aufbaut, um Deutsche mit türkischen Wurzeln als Kunden zu gewinnen.

Abschied vom Ethno-Marketing

Damals sei das Thema Ethno-Marketing immer stärker aufgekommen. Daimler, VW, alle interessieren sich dafür, die spezielle Zielgruppe als Kunden zu gewinnen. Ergün weiß, wie das geht. 2007 gründet er sein Unternehmen Ethno IQ. Erster Kunde ist die Citybank, schnell klopfen auch Eon und Sony an. In Düsseldorf gründet Ethno IQ eine Werbeagentur – eigentlich nicht sein Ding.

Am Firmensitz in Lünen hat Ethno IQ ein riesiges Lager, um Supermärkte, Kioske und Co. zeitnah beliefern zu können. Immer mehr Regale füllen sich auch mit Produkten der Marke „4Bro“.
Am Firmensitz in Lünen hat Ethno IQ ein riesiges Lager, um Supermärkte, Kioske und Co. zeitnah beliefern zu können. Immer mehr Regale füllen sich auch mit Produkten der Marke „4Bro“. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Ergün schwenkt um, nutzt die vielen Kontakte zu Markenunternehmen und spricht Haribo auf eine Kooperation an. Mit Mitte 30 findet das Ruhrgebietskind als Großhändler sein zweites Standbein, beliefert zunächst rund 4500 türkische Supermärkte in Deutschland. Beim Umzug von Ethno IQ nach Lünen 2010 sind es europaweit schon 7500 Läden, die er zum Beispiel mit halal (ohne Schweinegelatine) in der Türkei produzierten Haribos versorgt. Ergün überzeugt die Besitzer türkischer Supermärkte davon, deutsche Artikel ins Sortiment zu nehmen - Eistee zum Beispiel.

Wenn Engin Ergün heute Besucher seines Unternehmens Ethno IQ am Haupteingang im Lüner Gewerbegebiet empfängt, deutet nichts darauf hin, was sich hinter den Mauern verbirgt. Zwei Welten unter einem Dach.

Die des sehr erfolgreichen Großhändlers mit riesigem Lager für alles, was im Supermarkt, am Kiosk oder der Fußballbude im Regal Platz findet. Und die Welt des Start-ups 4Bro: Im recht überschaubaren Foyer signalisieren Graffiti an den Wänden diese neue Welt. Ein paar Schritte weiter diskutiert eine Menge junger Leute zwanglos oder blickt konzentriert in einer zum Großraum umfunktionierten Lagerhalle auf Rechner. Und grüßt herüber: „Hey Bro“ oder so.

Ergüns Chef-Schreibtisch steht auf einer ehemaligen Verladerampe – der 48-jährige Familienvater hat anscheinend keinerlei Allüren ob des Erfolgs entwickelt.
Ergüns Chef-Schreibtisch steht auf einer ehemaligen Verladerampe – der 48-jährige Familienvater hat anscheinend keinerlei Allüren ob des Erfolgs entwickelt. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Engin Ergün hat seinen Schreibtisch im Konferenzraum, wo Strategien besprochen werden. Jede Menge. Dass der 48-jährige Familienvater erhöht sitzt, hat rein gar nichts mit Unnahbarkeit eines Erfolgstyps zu tun. Auf der alten Laderampe war eben einfach Platz für den Chef.

Im April 2020, mitten in der Corona-Krise, wird die Lifestylemarke „4Bro“ auf den Markt gebracht. Seitdem bekommt die Unternehmenszentrale in Lünen im Inneren ein neues Gesicht. Fehlt nur eine Shisha-Ecke. Passen würde es. Engin Ergün raucht hin und wieder ganz gern eine Wasserpfeife, um die Gedanken schweifen zu lassen. Durch diese Passion lernt der Familienvater ohne es zu ahnen die Welt der Bros (Kumpels) und Sis (Freundinnen) kennen. „4Bro war ein bisschen Zufall.“ Weil seine Stamm-Shisha-Bar in Dortmund wegen Umbaus gerade geschlossen hat. „Dann bin ich in eine andere gegangen, wo nur junge Leute waren. Denen habe ich zugehört. Wie sie geredet haben und miteinander umgingen. Drei Wochen habe ich das gemacht, jeden Tag. Nach einer Woche sprachen sie mich an: ,Hey Bro, warum schaust du immer zu uns rüber?‘ haben sie gefragt – und dann den Bro-Code erklärt, also: Wo man abhängt, wie man abhängt und wie man zusammenhält. Dass man Eistee trinkt. Es ist eine echte Lebensphilosophie dieser Generation.“

Verdoppelung des Umsatzes

4Bro (www.4bro.de) gehört zur Ethno IQ GmbH, die 2007 von Engin Ergün gegründet wurde.

2020 hat sich der Umsatz gegenüber dem Vorjahr auf knapp 40 Millionen Euro bei 65 Beschäftigten verdoppelt. Für 2021 werden zwischen 80 und 100 Millionen angepeilt. Mit heute 90 Mitarbeitern.

4Bro ist seit April 2020 auf dem Markt. Mittlerweile werden bereits rund 8 Mio. Produkte pro Monat vertrieben. Der Markt wächst über Deutschland hinaus. 2022 soll die Marke in ganz Europa erhältlich sein. Selbst nach Singapur wird schon geliefert.

Der Dortmunder ist fasziniert. „Eigentlich wollte ich gar keine eigene Marke.“ Aber in der Idee spiegelt sich viel von dem, was ihn antreibt: Kreativität, Neues probieren, sich dabei nicht wie in Konzernen in engen Bahnen eines CI (Corporate Identity) einschnüren lassen. Dass die Marke in so kurzer Zeit einen enormen Zuspruch erfährt, hat auch damit zu tun, dass Ergün Start-up-Gründer und erfahrener Geschäftsmann mit riesigem Netzwerk in der Lebensmittelbranche zugleich ist. 4Bro-Produkte wie Eistee oder Snacks sind seit kurzem in allen 3600 deutschen Filialen der Rewe Gruppe zu finden, dazu bei Edeka, Famila, Lekkerland, Metro und Globus bis hin zu Shell-Tankstellen. Es ist normalerweise ein langwieriger und teurer Prozess, im Lebensmittelhandel gelistet zu werden – aber der hat erkannt, welche Kraft diese junge Marke hat.

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4Bro-Mobilfunk geplant

Ergün will sie bald noch breiter aufstellen, Fashion soll dazu gekommen – und ein eigenes Mobilfunkangebot. Sein Metier. Zum Konzept gehören neue Methoden. Auf TikTok folgen weit über 200.000 Nutzer der Marke, bei Instagram sind es beinahe 100.000. Zu 4Bro gibt es eine eigene App, die schon über 750.000 mal heruntergeladen wurde und über die Nutzer Punkte sammeln und gegen Gutscheine einlösen können - von Netflix bis Zalando bis zum Nagelstudio ums Eck.

Die Marke spricht eine konsumfreudige junge, eine coole Generation an und weckt nicht nur das Interesse des Lebensmitteleinzelhandels, sondern von Promis wie Pietro Lombardi, Fußball-Profis wie Karim Bellarabi (Leverkusen) und TV-Sendern wie DAZN. Oder eben Clubs wie Rot-Weiss Essen, wo man sich brennend für den „Bro-Code“ interessiert und neue Wege gehen will – selbst wenn es mit dem Aufstieg in die 3. Fußballliga an diesem Wochenende nicht klappen sollte. Dabei ist Engin Ergün ausnahmsweise zum Zuschauen verdammt.