Hattingen. Wohnungswirtschaft lehnt geplante Teilung des CO2-Preises zwischen Mietern und Vermietern ab. Warum die Branche eine Investitionsbremse fürchtet.

Für die Genossenschaft HWG war es ein finanzieller Kraftakt, innerhalb von zehn Jahren 1000 Wohnungen in der Hattinger Südstadt für über 100 Millionen Euro zu sanieren und energetisch zu modernisieren. Irritiert blickt Vorstandschef David Wilde nun nach Berlin und schüttelt den Kopf, dass seine Genossenschaft trotz aller Anstrengungen in Hattingen jetzt auch bei der CO2-Abgabe zur Kasse gebeten werden soll.

„Die CO2-Abgabe trifft uns, wir gehen aber nicht auf die Barrikaden“, stellt Wilde im Gespräch mit unserer Redaktion klar. Richtig findet der Chef der Hattinger Genossenschaft mit ihren 4100 Wohnungen die Pläne der Bundesregierung dennoch nicht. Nach dem überraschenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat die Große Koalition zusätzliche Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Klimaziele schneller zu erreichen. Dazu gehört, dass sich Mieter und Vermieter jeweils zur Hälfte die Kosten für den CO2-Preis teilen sollen, der beim Heizen und für warmes Wasser entsteht.

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Für die Hattinger Südstadt hat Wilde „mit dem dicken Daumen“ ausgerechnet, dass auf die HWG in einem ersten Schritt jährlich 200.000 Euro Mehrkosten zukommen. Ab 2024, wenn die CO2-Abgabe weiter steigen soll, werden es 500.000 Euro sein. „Auch wenn die Hälfte davon unsere Mieter tragen, macht mir die Summe Bauchschmerzen. Sie fehlt bei der energetischen Sanierung anderer Siedlungen“, sagt der Genossenschaftschef.

100 Millionen Euro in Hattinger Südstadt investiert

Mit der Sanierung der Südstadt sei die HWG bereits finanziell an die Grenze des Machbaren gegangen, um die Mieten am Ende bezahlbar zu halten. „Wir haben extrem viel für den Klimaschutz getan und sollen jetzt trotzdem an der CO2-Abgabe beteiligt werden. Das ist nicht gerecht“, erklärt Wilde.

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Mit dieser Einschätzung ist der Chef der Hattinger Genossenschaft nicht allein. In der gesamten Wohnungswirtschaft brodelt es. Ihr beigesprungen ist bereits die nordrhein-westfälische Bauministerin Ina Scharrenbach. Die geplante Aufteilung der CO2-Abgabe hatte die CDU-Politikerin gegenüber unserer Redaktion jüngst als „Schnellschuss, der nach hinten losgeht“ bezeichnet und argumentiert: „Sehenden Auges steuern wir auf eine Leistbarkeitskrise für Vermieter und Mieter im Gebäudesektor zu.“

Zustand der Gebäude berücksichtigen

Alexander Rychter warnt bereits vor einer „Investitionsbremse“. Als Direktor des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen (VdW) vertritt er mehr als 480 Wohnungsunternehmen und –genossenschaften in NRW und dem nördlichen Rheinland-Pfalz, darunter auch Riesen wie Vonovia, LEG und Vivawest.

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„Selbstverständlich darf der CO2-Preis nicht nur ein Thema für Mieter sein. Es muss aber auch einen Anreiz geben, dass Vermieter Wohnungsunternehmen und -genossenschaften weiterhin in die energetische Sanierung ihrer Wohngebäude und damit in Klimaschutzmaßnahmen investieren“, betont Rychter. Er schlägt vor, dass bei der Bemessung des CO2-Preises „zwingend der Zustand des Gebäudes“ betrachtet werden solle.

Wer nicht investiert, soll zahlen

„Denn gerade in sanierten Gebäuden macht der individuelle Energieverbrauch den allergrößten Teil des CO2-Ausstoßes aus. Eigentümer, die wenig bis gar nichts investiert haben, sollten auch mehr für die CO2-Emissionen zahlen“, skizziert Rychter einen Mittelweg. „Wer dagegen alles Mögliche getan und seinen Beitrag zum Klimaschutz geleistet hat, darf nicht noch bestraft werden.“

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Das sieht auch David Wilde so. In der Hattinger Südstadt hat seine Genossenschaft die Häuser aus den 50er und 60er Jahren zum Teil abgerissen oder bis auf die Grundmauern entkernt und klimaschonend modernisiert. „In einem nicht sanierten Haus können sich die Mieter noch so gut verhalten- Ohne Dämmung müssen sie mehr heizen und zusätzlich 50 Prozent der CO2-Abgabe bezahlen“, kritisiert er.

Mieterbund: CO2-Preis nicht allein auf Mieter abwälzen

Da Mieter keinen Einfluss auf den energetischen Zustand ihrer Wohnung oder die Art der Heizung hätten, sei es „dringend geboten, die Abwälzung der CO2-Kosten alleinig auf die Mieter umgehend zu beenden“, fordert dagegen der Deutsche Mieterbund und unterstützt damit die Haltung der Bundesregierung.

„Mieterinnen und Mieter müssen von den Kosten des CO2-Preises entlastet werden, darin sind sich Umweltorganisationen, Verbraucherinitiativen, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Unternehmen einig“, erklärt Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des Mieterbundes. Die Teilung der CO2-Kosten dürfe nicht „aufgeweicht“ werden.