Hagen/Iserlohn. Am 7. Juni kann Impfen in Betrieben starten. Bis Freitagmittag muss der Impfstoff dafür bestellt sein. In NRW ist die Menge weiter sehr begrenzt.

Das Impfen in Betrieben startet definitiv am 7. Juni. So viel steht laut Mitteilung der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) von dieser Woche und Bestätigung durch das Bundesgesundheitsministerium definitiv fest. In NRW steht dann allerdings so wenig Impfstoff zur Verfügung, dass es laut Landesgesundheitsministerium dann keine Erstimpfungen in den kommunalen Impfzentren geben wird.

Der Start in der Wirtschaft zur Unterstützung der Impf-Kampagne gegen das Covid-19-Virus wird wegen der begrenzten Impfstoffmenge gebremst ausfallen. Die BDA hat die Rahmenbedingungen mit dem Bundesgesundheitsministerium endlich festgezurrt. Vorbereitet sind viele Unternehmen in Südwestfalen längst – und müssen es auch sein, wenn sie den Startschuss nicht verpassen wollen. Bis Freitag um 12 Uhr mittags müssen die Bestellungen beim zuständigen Pharmagroßhandel beziehungsweise einer berechtigten Apotheke eingehen. Das Interesse in der Wirtschaft ist enorm. „Alles hängt davon ab, wann und wie wir den Impfstoff nun bekommen“, sagen Frank Buchholzki und Daniela Vollmer von Kirchhoff Automotive in Iserlohn-Sümmern.

Erhoffter Impf-Turbo in Südwestfalen ausgeblieben

Viele Unternehmen in Südwestfalen haben ihre Impfstraße seit Wochen betriebsbereit und hätten gerne längst angefangen zu impfen. Die bereits im April gestartete konzertierte und über heimische Abgeordnete transportierte Initiative von Gewerkschaften, Arbeitgebern und Kammern im Raum Olpe und Siegen-Wittgenstein ist verpufft. Der erhoffte „Impf-Turbo“ hat nicht gezündet. „Es ist schon ein bisschen merkwürdig, dass es bei Konzernen bereits geht und der Mittelstand im ländlichen Raum mal wieder außen vor ist“, kritisiert Siegens IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. Jetzt werde es einen riesigen Ansturm auf die Vakzine geben, vermutet er.

Maximal 804 Dosen pro Bestellung

Maximal 804 Impfdosen können pro Unternehmen zum Start geordert werden. Es soll der mRNA-Impfstoff von Biontec/Pfizer sein. Ob tatsächlich so viele (oder wenige) Dosen geliefert werden, ist dabei keineswegs sicher. Es ist schließlich abhängig von der Gesamtmenge, die für die Betriebsärzte zum Start zur Verfügung steht. Es bleibt, bestätigt das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage dieser Zeitung, zum Start bei gerade einmal 500.000 Dosen – für ganz Deutschland. Nach und nach sollen auch die Vektor-Impfstoffe von Astrazeneca, Johnson und Johnson (Einmalimpfung) zum Einsatz kommen und ab Juli auch der mRNA-Impfstoff von Moderna.

Kirchhoff stellt Impfen im eigenen Zentrum in Iserlohn für Nachbarfirmen in Aussicht

Im Industriegebiet in Iserlohn-Sümmern ist man vorbereitet. Das Unternehmen Kirchhoff hat hier in Kooperation mit dem Zentrum für Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit (ZAA) ein Impfzentrum bereits eingerichtet, das auch andere Unternehmen im Gewerbegebiet werden nutzen können, verspricht Werksleiter Frank Buchholzki. Im Einbahnstraßensystem funktioniert es analog zu den Impfzentren.

Warten auf Impfstoff: Daniela Vollmer (stellv. Personalchefin Kirchhoff Automotive Iserlohn) und Werksleiter Frank Buchholzki im Betriebsimpfzentrum in Iserlohn-Sümmern, das übergangsweise in der Kantine eingerichtet wurde.
Warten auf Impfstoff: Daniela Vollmer (stellv. Personalchefin Kirchhoff Automotive Iserlohn) und Werksleiter Frank Buchholzki im Betriebsimpfzentrum in Iserlohn-Sümmern, das übergangsweise in der Kantine eingerichtet wurde. © WP-Jens Helmecke | Jens Helmecke

Wo vor der Pandemie die Mittagspause gemacht wurde, soll ab dem 7. Juni die Impfung verabreicht werden – in der Kantine. Alles steht seit dieser Woche parat. Die Ausschilderung ist angebracht. Für die Impfstoffe wurden extra zwei Kühlschränke angeschafft. Um sicher zu gehen, dass das Angebot auch angenommen wird, gab es eine interne Abfrage begleitend zur Lohnabrechnung. Mit der Resonanz ist man sehr zufrieden. Gemessen daran, dass bereits einige ältere Beschäftigte geimpft worden sind, seien über 50 Prozent positive Rückmeldungen gut. „Jetzt haben unsere Mitarbeiter auch eine entsprechende Erwartungshaltung“, sagt Daniela Vollmer, die sich bereits seit März um das Thema kümmert.

Leiter des Betriebsarztzentrums kritisiert enormen Aufwand

Die Kommunikation zwischen Wirtschaft und Landes- und Bundesregierung scheint nach wie vor zäh. Professor Dr. Thomas Quellmann, Chef des Betriebsarztzentrums (BAZ) Hohenlimburg-Letmathe in Hagen, kümmert sich ebenfalls bereits seit Wochen darum, dass die rund 7000 Beschäftigten der 70 Mitgliedsunternehmen schnellstmöglich ein Impfangebot erhalten können. Quellmann ist skeptisch: „Der administrative Aufwand ist so groß, dass sich viele Betriebsarztzentren schwer tun werden.“ In Hagen habe man sogar einen Softwareauftrag vergeben, damit die Daten sicher ans RKI übermittelt werden können. Geimpft werden könnte dann in Räumlichkeiten zweier großer Kaltwalzunternehmen und in einer ausgedienten Apotheke. „Hier fangen wir im kleinen Rahmen an“, sagt Quellmann. Statt der möglichen 804 Dosen will er erst einmal 50 bestellen und langsam anfangen, um die Abläufe zu testen.

Der Mediziner versteht zwar den Wunsch der Wirtschaft, möglichst schnell ihre Belegschaften impfen zu wollen, aber „ich sehe es alles nicht so rosig“. Einfacher wäre es aus seiner Sicht gewesen, die vorhandenen Impfzentren mit zu nutzen, statt einen hohen Aufwand zu betreiben. Unverständnis herrscht auch darüber, dass offenbar eine Vielzahl von Impfdosen – hier Astrazeneca – in den Zentren und Hausarztpraxen liegen bleiben, aber sie partout nicht für Belegschaftsimpfungen genutzt werden durften.

Zum Start am 7. Juni wird es kaum überzähligen Impfstoff in Nordrhein-Westfalen geben. Das Land erhält zur Zeit rund 500.000 Dosen wöchentlich vom Bund. Um Zweitimpfungen sicherzustellen, werde es in der ersten Juniwoche keine Erstimpfungen in den Impfzentren geben, erklärt das Landesgesundheitsministerium auf Nachfrage dieser Zeitung.

So läuft es in NRW in den Zentren und Praxen ab Juni:

Die Arztpraxen: (neu: auch privatärztliche Praxen) werden in eigener Verantwortung impfen. Das bedeutet: Es bleibt den jeweiligen Arztpraxen überlassen, welchen Patienten sie einen Impftermin vergeben. Die Arztpraxen werden direkt vom Bund bzw. den Apotheken und dem pharmazeutischen Großhandel mit Impfdosen versorgt.

Die Betriebsärzte: Der Bund stellt für sie die Impfdosen zur Verfügung. Für den Start am 7. Juni muss die Bestellung bis zum 21. (Freitag) um 12 Uhr eingegangen sein. Die Belieferung der Betriebsärzte erfolgt über die Apotheken und den pharmazeutischen Großhandel. Das genaue Verfahren zur Verteilung wird vom Bund mit einer gesonderten Regelung festgelegt.

Die Impfzentren: Sie werden vom Land NRW (das vom Bund aktuell wöchentlich 500.000 Dosen bekommt) mit Impfstoff versorgt. Auch hier wird ab 7. Juni die Priorisierung aufgehoben. Das Land behält sich jedoch vor, bestimmten Bevölkerungsgruppen ein Sonderimpfangebot zu unterbreiten.