Sprockhövel/Hagen. Christine Pregler ist die erste Projektmanagerin in ihrer Firma. Der erfahrene Mentor Thomas Hüttenhein hilft zu verstehen, wie Männer ticken.

Es ist ein Thema, das im 21. Jahrhundert eigentlich keines mehr sein sollte: Die Wirtschaft ist zu wenig weiblich. Frauen an der Spitze eines Unternehmens sind nach wie vor keine Selbstverständlichkeit. In der Märkischen Region soll dies eine bessere Vernetzung und systematische Unterstützung verändern. In einer vierteiligen Serie erzählen weibliche Führungskräfte über ihre Jobs und wo 2021 immer noch Stolpersteine herumliegen.

Nächste Folge in einer Woche mit dem Thema Geschäftsführung in Teilzeit - wie eine junge Mutter ein 80-Mann-Unternehmen dirigiert.

Für Unterstützung ist es nie zu spät

Christine Pregler trifft sich seit Jahresbeginn alle zwei Wochen mit ihrem Mentor Thomas Hüttenhein – bisher pandemiebedingt allerdings immer per Chat. Jetzt hat es endlich einmal mit einem persönlichen Treffen geklappt. Nach vier Monaten als Tandem im Mentoringprogramm kennen sich die beiden bereits erstaunlich gut. Die Chemie stimmt.

Mentoringprogramme sind nichts Neues. Dieses ist aber besonders. Es wird vom Kompetenzzentrum Frau und Beruf in Nordrhein-Westfalen organisiert. Dementsprechend werden hier gezielt Frauen gefördert, deren Ziel eine Führungsposition ist. Meist sind es junge Akademikerinnen.

Thomas Hüttenhein ist nicht nur als Mentor, sondern auch als Chef erfahren. Mit dem Blick von außen unterstützt er Christine Pregler dabei, sich zu reflektieren und ihre Führungskompetenz zu erweitern.
Thomas Hüttenhein ist nicht nur als Mentor, sondern auch als Chef erfahren. Mit dem Blick von außen unterstützt er Christine Pregler dabei, sich zu reflektieren und ihre Führungskompetenz zu erweitern. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Christine Pregler ist eine etwas untypische Mentee. Sie ist bereits 40. Pregler hat Betriebswirtschaft studiert, bereits viel Leitungserfahrung in Unternehmen gesammelt, unter anderem zwei Automotive-Firmen im Süddeutschen. Aktuell arbeitet sie bei Hytorc am Standort Sprockhövel mit gut einhundert überwiegend männlichen Kollegen und ist dort die erste Projektmanagerin überhaupt. „Für die Kollegen war das alles neu. Und dann kommt auch noch eine Frau“, erinnert sie sich an ihren Einstand. Eine Frau, die Prozesse ordnet, anregt Strukturen zu verändern, um nicht jeden Tag das Rad neu erfinden zu müssen. Es geht ihr um Effizienz. Ihre Erfahrung ist wenig überraschend: Veränderungen in der Arbeitswelt erzeugen Reibung. Man braucht ein dickes Fell. „Es war schon schwierig“, sagt Pregler, warum sie gerne ins Mentoring für weibliche Führungskräfte wollte. An ihrer Seite steht mit Thomas Hüttenhein ein für sie anscheinend perfekter Mentor. Ein Sparringspartner, wie sie ihn sich gewünscht hat. Mit Mitte 50 und jahrzehntelanger Geschäftsführererfahrung im Gepäck, hat Hüttenhein schon viel erlebt und vor allem einen klaren Blick von außen. In Meetings sagt er Pregler Sätze wie „Man muss sich reflektieren, aber nie zweifeln. Dann wird man schwach!“ Es geht darum, dass frau ihr Handeln reflektiert, statt sich mit Versuch und Irrtum zu lange aufzuhalten.

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Hüttenhein sieht sich in der Rolle des väterlichen Freundes, der seine Erfahrungen inklusive Irrtümer gerne weitergibt. Aufbauendes darf seiner Ansicht nach nicht fehlen: „Frauen gehen offener mit Defiziten um. Frauen sind extrem pragmatisch.“ Und: gemischte Teams seien viel erfolgreicher als reine Männerclubs in der Spitze von Unternehmen. „Ich sage ihr, wie Männer ticken und wie man auch als weibliche Führungskraft akzeptiert wird“, erklärt Hüttenhein die Rolle, die er bereits zum dritten Mal im Mentoringprogramm einnimmt. Und jedes Mal lerne er als Mensch und Mann selbst dazu. Ein bisschen schade sei, dass das Programm sich nur an Frauen richte, sagt der Chef von Industrieofenbau Schlager in Hagen: „Viele Männer bräuchten viel mehr Hilfe als Frauen, wenn es um kluge Führung geht.“

Ein Jahr läuft das Programm, treffen sich Mentor und Mentee. „Ich weiß heute schon, dass ich mit sehr viel herausgehe“, sagt Christine Pregler. Etwa, dass Führung gelernt sein will und es hilft, sich auf dem Weg nach oben lieber Rat zu holen statt Frust allein zu verdauen.

Themenwoche Führung vom 7. bis 11. Juni

Die Corona-Pandemie hat das Arbeitsleben in vielen Bereichen verändert und besondere Fragen aufgeworfen. „Was macht in solchen besonderen Zeiten eine gute Führung aus“, nennt Johanna Muhl, Leiterin der Regionalstelle Frau und Beruf („Competentia“) in der Märkischen Region ein Beispiel.

Competentia kümmert sich seit einigen Jahren um die Unterstützung von Frauen im Arbeitsleben und wendet sich mit dem neuen Format Forum Führung gezielt an Frauen mit Leitungsfunktion in der Region – von der Geschäftsführerin bis zur Projektmanagerin.

Vom 7. bis 11. Juni dieses Jahres findet von Competentia in Kooperation mit dem Märkischen Arbeitgeberverband (MAV), der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) und Gesellschaft zur Wirtschafts- und Strukturförderung im MK (GWS) eine kompakte Themenwoche Führung in wechselnden Formaten statt.

Studie von Competentia und Uni Witten/Herdecke

Bereits im vergangenen Jahr hat das Kompetenzzentrum in der SIHK eine mit der Uni Witten/Herdecke durchgeführte Studie vorgestellt: Karrierewege von Frauen in Führungspositionen in eher kleineren und mittelgroßen Unternehmen Karrierewege sind dafür abgefragt worden. Ergebnis: Der Anteil von Frauen in Führungspositionen sei unverändert gering, gleich ob in der Industrie oder Verwaltung.

Das Ziel für die Märkische Region ist, am Netzwerk für weibliche Nachwuchs- und Führungskräfte zu spinnen, ohne Männer auszuschließen. Gedacht ist an Webinare, Treffen vor Ort und größere Veranstaltungen, um die Region für weibliche Führungskräfte attraktiver zu machen, erklärt Sibylle Hüdepohl von Competentia.

Informationen und Anmeldung zum Programm der Themenwoche unter www.agenturmark.de/forum-fuehrung