Herten. Nach dem Mangel an Erntehelfern vor einem Jahr läuft es diesmal besser. Polen reisen mit negativem Test ein. Kälte hat die Ernte etwas verzögert.
Die Spargelspinne krabbelt voraus, einen gebückten Mann im Schlepptau. Sie hat sich ihm unentbehrlich gemacht: Das Gefährt hebt vorne die Plane an, legt unterm Folientunnel den Damm frei, in dem das Edelgemüse wächst, und deckt ihn nach dem Stechen wieder zu. Ohne Folie gäbe es noch keinen ausgewachsenen Spargel nach dieser Osterkälte. Sie speichert die Wärme, wenn die Sonne mal durchkommt, das reicht den blassen Stangen. Eine nach der andern landet im Korb, der schließlich im Bus von , der ihn zur Sortieranlage seines Hertener Hofs fährt. Der Spargelbauer lächelt viel an diesem kalten, aber himmelblauen Morgen. Die polnischen Saisonarbeiter sind vollzählig angereist, die Ernte läuft, der Hofladen auch.
Das war vor einem Jahr anders, weil vieles so unklar. Aus Angst vor einer Ansteckung in Deutschland blieben viele Feldarbeiter daheim in Polen und Rumänien. Um die Ernte zu retten, riefen die Bauernverbände dazu auf, ihnen zu helfen, auch bei Schulte-Scherlebeck meldeten sich etliche Kellner, Köche, Lehrer und viele andere, die plötzlich nicht mehr arbeiten durften. „Als es dann nach dem sonnigen April auch mal regnete, hat keiner mehr angerufen“, schmunzelt der Landwirt noch heute. Er führt mit seinem Bruder Jörg den seit Jahrhunderten bewirtschafteten Hof. 2020 kam er mit den Saisonarbeitern, die trotzdem da waren, irgendwie zurecht, konnte nur ein Feld nicht abernten.
Die Saisonarbeiter sind da – mit negativem Covid-Test
Diesmal sind sie alle wieder da, rund 20 Polen, von denen viele seit Jahren kommen, der Vorarbeiter hat schon die erste Spargelernte vor 30 Jahren mitgemacht, als die Eltern von Heiner Schulte-Scherlebeck ins Geschäft mit dem heimischen Lieblingsgemüse einstiegen. Die Polen teilen wie viele Nachbarn die deutsche Leidenschaft für das zartbittere Gewächs nicht so ganz: „Wenn es genug Fleisch gibt, esse ich auch mal Spargel dazu“, meint der Feldarbeiter mit breitem Grinsen.
So rund wie auf dem Hof in Herten läuft es noch nicht überall im Land. Es sei „derzeit noch nicht absehbar, ob genügend Erntehelfer aus Osteuropa einreisen werden“, sagt Peter Muß, Geschäftsführer beim Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauern. Die Erntehelfer leben und arbeiten in der Regel auf den Höfen, die sie kaum verlassen, weshalb der Verband das Infektionsrisiko als niedrig einstuft. Im vergangenen Jahr habe es keine einzige Betriebsschließung gegeben, rund 30 Betriebe hätten Corona-Fälle gemeldet, in diesem bisher einer – von rund 1000.
NRW besteht nicht auf Quarantäne
Anders als 2020 gibt es dieses Jahr an Rhein und Ruhr keine Pflicht einer Arbeitsquarantäne, in der die Helfer getrennt voneinander ernten müssen. Der Bund hat das den Ländern erneut empfohlen, auch der Verband rät den Landwirten dazu, weil es sich bewährt habe. NRW verzichtet aber darauf. Bundesweit Pflicht für die Saisonkräfte ist diesmal eine Anmeldung vor der Einreise und ein negativer Corona-Test. Wer aus einem Risikogebiet (Inzidenz über 50) kommt, kann ihn nach der Einreise machen, wer aus einem Hochrisikogebiet kommt, in denen sich mehr als 200 von 100.000 Einwohnern pro Woche mit Covid-19 infizieren, muss bereits bei der Einreise einen negativen Test vorweisen. Laut Bundesempfehlung müsste er auch zehn Tage in Quarantäne – nicht so in NRW. Aktuell gilt Rumänien wie die meisten Länder als Risikogebiet (Inzidenz über 50), Polen und Bulgarien sind sogar Hochinzidenzgebiete.
Bei Heiner Schulte-Scherlebeck ist das Prozedere längst durch, die rund 20 polnischen Männer sind vor zwei Wochen angekommen, getestet, negativ. Die Zimmer hat er halb belegt und will freiwillig noch einmal testen. Für die Erdbeerernte kommen dann weitere rund 20 Frauen – vor allem Polinnen und in der Region lebende Türkinnen.
Nach der Pandemie wird geheiratet, was die Scheune hergibt
Schulte-Scherlebeck mag nicht klagen, obwohl auch sein Betrieb unter der Pandemie leidet: So fällt das Gastronomiegeschäft weg und damit rund ein Drittel seines Gewinns, wie er sagt. Um diese Zeit gäbe es unter der Woche hier eigentlich ein Spargelbuffet – und an fast jedem Wochenende eine Hochzeit in der aufwendig restaurierten Scheune. Wer letztes Jahr nicht heiraten konnte, hat für dieses reserviert, doch der Landwirt ist skeptisch, ob das noch was wird. Aber nach Corona wird hier geheiratet, was die Scheune hergibt, die Paare würden aus lauter Verzweiflung schon Sonntage für ihre Feiern buchen.
Auf den Feldern läuft die Spargelspinne schneller als sonst, denn noch sprießt das Gemüse eher vereinzelt. Alle paar Schritte wird gestochen, manchmal finden die Erntehelfer über mehrere Meter nicht eine Stange. Gut zehn Kilo graben sie bei dem Tempo in der Stunde aus der Erde, wenn es wärmer wird, schaffen sie bis zu 20 Kilo. Dass es wie jedes Jahr mühsam anläuft, ist der Grund für die stets höheren Startpreise, aktuell je nach Güteklasse zehn bis 15 Euro pro Kilo. Das schreckt die schon am Morgen zahlreichen Kunden nicht ab – Schulte-Scherlebeck verkauft drei Viertel seines Spargels im Hofladen, den Rest an Krankenhäuser, Supermärkte. Und Restaurants, eigentlich.
>>> Info:
Die Anbauflächen für Spargel sind im vergangenen Jahrzehnt in NRW stark gewachsen – um rund ein Viertel auf 4200 Hektar im vergangenen Jahr. Damit ist Spargel inzwischen mit Karotten das am häufigsten angebaute Freilandgemüse im Land.
Vor allem weil wegen der Erntehelfer-Knappheit nicht alle Felder abgeerntet werden konnten, ging die Erntemenge um 11,5 Prozent zurück.