Essen. Essener Chemiekonzern Evonik will die Impfstoffproduktion in Deutschland ausbauen helfen. Lipide für Biontech bald auch aus Hanau und Dossenheim.

Der Chemiekonzern Evonik will einen wichtigen Inhaltsstoff für den Corona-Impfstoff von Biontech in Deutschland produzieren. Im zweiten Halbjahr solle die kommerzielle Produktion von Lipiden in den Evonik-Werken Hanau und Dossenheim beginnen, teilte der Essener MDax-Konzern am Donnerstag mit. Man leiste damit einen wichtigen Beitrag zur Liefersicherheit des Biontech-Impfstoffs.

Die bisher von vielen als zu langsam empfundene Impfung der Bevölkerung in Deutschland wird vor allem auf verzögerte Lieferungen der Hersteller zurückgeführt. Das Serum des Mainzer Biotechunternehmens Biontech und des US-Pharmariesen Pfizer war der erste in Europa zugelassene Covid-19-Impfstoff. Um die Produktionsmengen seines mRNA-basierten Mittels zu erhöhen, braucht Biontech auch mehr Lipide, die Evonik bisher nur in Kanada und den USA herstellt.

Das Transportmittel für den Antigen-Code

Die Lipide (Fette) sind sozusagen das Transportmittel für die Boten-RNA. Der fettige Mantel umhüllt sie, bleibt in den Körperflüssigkeiten intakt, bis er in die Zelle eindringt. Dort lösen sich die Lipide auf, und die mRNA kann den Code des Covid-Antigens freisetzen, mit dem der Körper eigene Antikörper produzieren kann, die das Coronavirus bekämpfen.

„Wir machen alles möglich, um unsere Partner mit kritischen Lipiden zu beliefern“, sagt Evonik-Chef Christian Kullmann. Der Spezialchemiekonzern war nach eigenen Angaben an verschiedenen Projekten zur Entwicklung von Impfstoffen gegen Covid-19 beteiligt. „Mit der Partnerschaft mit Biontech bauen wir unsere führende Position als integrierter Entwicklungspartner in Zell- und Gentherapien konsequent weiter aus“, sagt Thomas Riermeier, Chef der Pharmazeutik-Sparte Health Care.

Politik fordert mehr Produktionsstätten in Deutschland

Bundes- und Landesregierung fordern seit langem eine rasche Erhöhung der Produktionskapazitäten für die Impfstoffe der verschiedenen Hersteller – und werben dafür, dies verstärkt auch an deutschen Standorten zu tun. Biontech hat unlängst seine dritte deutsche Produktionsanlage im hessischen Marburg in Betrieb genommen. Der Leverkusener Pharmariese Bayer will daher eine eigene Produktion unter anderem in Wuppertal aufbauen, die Ende des Jahres anlaufen soll. Bayer will dann den noch nicht zugelassenen Impfstoff von Curevac herstellen. Das Tübinger Biotech-Unternehmen strebt eine Zulassung im Frühjahr an und lässt zunächst vom französischen Arzneimittelhersteller Fareva und der deutschen Wacker AG produzieren.

Bisher werden in Deutschland die Impfstoffe von Biontech und Moderna verimpft. Vom dritten zugelassenen Impfstoff von Astrazeneca sind die ersten Dosen erst vergangene Woche in Deutschland angekommen. Das Serum des britisch-schwedischen Herstellers wird hierzulande zunächst nur an Menschen bis 65 Jahre verabreicht. Insbesondere mit Astrazeneca streiten die EU und Deutschland über höhere Liefermengen, weil sie sich etwa gegenüber Großbritannien benachteiligt fühlen.