Hagen. Als erste „Lockdown-Branche“ sollen die Friseure ab 1. März wieder öffnen dürfen - für viele wohl zu spät.
Ein weiterer Monat Eiszeit für viele Geschäftsleute. Lockdown-Verlängerung bis mindestens Mitte März – außer für Friseure. Zum Jubeln oder Aufatmen gibt es dennoch wenig Anlass, glaubt man der Hagener Innungs-Obermeisterin Bärbel Nolzen.
80.000 Friseursalons gibt es bundesweit. Sicher über einhundert auch in Hagen. Noch. „Ich glaube, dass allein in unserer Stadt 60 Prozent bereits Insolvenz anmelden müssen“.
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Die Gewinnmarge in dieser Branche sei so überschaubar, „dass niemand, der einen normalen Salon betreibt, Reichtümer anhäufen kann“, versichert die Unternehmerin. Ihre Motivation rührt aus der Begeisterung für genau diesen Beruf, den sie ausübt, seit sie 14 Jahre alt ist. „Und zehn Jahre möchte ich das eigentlich auch noch machen“, sagt die 60-Jährige. Dass neben Kitas und Grundschulen Friseure Priorität beim langsamen Weg aus dem Lockdown genießen, ist durchaus wohltuend. „Man sieht endlich einmal, dass wir wichtig sind.“
Zunehmende „Schwarzarbeit“
Als Innungs-Obermeisterin hat sie einen ganz guten Überblick über die Stimmung in der Branche. Die ist schlecht. Die Corona-Krise macht den meisten schwer zu schaffen. Der zweite Lockdown hat den Friseuren eben zum zweiten Mal schwer die Geschäfte verhagelt. Feiertage wie Ostern und natürlich Weihnachten und Silvester sind Hoch-Zeiten. Jeder möchte dann so schön aussehen, wie es der Friseur mit seiner Profession möglich macht. „Selbst der Januar ist normalerweise ein guter Monat, weil da diejenigen kommen, denen es vor Weihnachten zu voll ist“, erklärt Bärbel Nolzen.
Seit zwei Monaten kommen statt Kunden nur noch Rechnungen an. Staatliche Hilfen, Kurzarbeitergeld? Bärbel Nolzen steht bei diesem Thema der Frust ins Gesicht geschrieben. Alles dauert ewig. Erst am vergangenen Wochenende erhielt Nolzen die „Kug-Nummer“ zur Abrechnung des Kurzarbeitergeldes für Januar, das die Unternehmen vorstrecken. Bis diese Unterstützung von der Bundesagentur für Arbeit auf dem Konto ankommt, dauert es wieder Wochen. Immerhin ist das sicher.
Also besser als die Sache mit der Überbrückungshilfe III. Nach wie vor sei die noch nicht einmal zu beantragen. Und auf Dezemberhilfe dürften die wenigsten Friseure hoffen. „Ich bekomme jedenfalls keine. Wir haben ja die letzten Tage vor dem Lockdown rund um die Uhr gearbeitet.“ Zu viel, um die geforderten 30 Prozent Mindestumsatzeinbußen nachweisen zu können.
Nolzen hatte im vergangenen Frühjahr auch Soforthilfe beantragt. 9000 Euro hat sie bekommen. Unklar, ob sie das Geld behalten darf. Die Liste der Rückzahler wächst stetig. Bis Ende März müssen die Begünstigten abrechnen: „Ich bin ganz ehrlich. Wie viele andere, habe ich auch Angst. Wenn ich das Geld zurückzahlen muss, kann ich zumachen.“
Dass ihre Branche jetzt eher als andere öffnen können soll, hat wohl verschiedene Gründe. Dass, was die Bundesregierung mit „der Bedeutung von Friseuren für die Körperhygiene (...) insbesondere für ältere Menschen...“ umschreibt, ist der psychologische Aspekt in einer fragilen Stimmungslage innerhalb der Bevölkerung, die seit Monaten erheblich in ihren Freiheiten eingeschränkt ist.
Weitere Hygieneauflagen
Ein weiterer dürfte dort zu suchen sein, wohin sich vermehrt Friseure flüchten. „Innenminister Seehofer hat recht. Ich glaube, die Entscheidung hat auch mit zunehmender Schwarzarbeit zu tun“, sagt die Innungschefin, die sich nicht erst seit Corona mit diesem Problem befasst. Seit vier Jahren gibt es einen „Runden Tisch“ mit Bochum und Dortmund zum Thema, alle sechs Monate. Mittlerweile nehmen auch der Zoll und die Sozialversicherungsträger teil. Dass aktuell auffällig viele Menschen frisch frisiert aussehen, sei kein Zufall. Nebenbei: „Bei den Fußballern frage ich mich, warum die nicht solidarisch sind, sondern meinem, besonders schön aussehen zu müssen?“
In gut zwei Wochen dürfte der Ansturm auf die Friseursalons also beginnen. Im Rahmen der bisherigen Hygienekonzepte und mit weiteren Auflagen. Mindestens medizinische Masken, Zutritt nur mit Termin. So könnte es aussehen. Noch einmal kommen Kosten auf die Friseure zu. „Dennoch ist die Entscheidung ein Segen für uns“, sagt Nolzen. Wenn jetzt noch zügig die versprochenen staatlichen Hilfen kämen, wäre es umso besser.