Meschede-Grevenstein. Deutsche Brauereien erlebten 2020 ein historisch schlechtes Jahr. Vergleichsweise geringe Verluste erlebt die Privatbrauerei Veltins.

Deutschlands Brauereien haben 2020 über fünf Millionen Hektoliter weniger Bier verkauft und damit den größten Jahresverlust in der Nachkriegsgeschichte verzeichnet. Michael Huber, Chef der Sauerländer Brauerei Veltins, spricht von einer „Erosion im Bierbereich, die historisch sein wird“. Insbesondere für kleinere Brauereien, die extrem vom Fassbierverkauf abhängig sind, könnte sich die Corona-Krise als existenzbedrohend erweisen, schätzt Veltins-Marketingchef Volker Kuhl.

Auch die erfolgsverwöhnte Veltins-Brauerei, die am Dienstag ihre Jahresbilanz zog, verbuchte Verluste, fiel wieder unter die drei Millionen Hektoliter Jahresausstoß und landete so nur leicht über dem Niveau des Jahres 2017.

Stillstand in der Fassbierabfüllung

„Wir haben Einschnitte erlebt, die wir uns in dieser Form nicht haben vorstellen können. Insbesondere das Fassbiergeschäft stand und steht im Feuer“, erklärt Huber mit Blick auf die gesamte Branche. Es sei „widerlich“ zu sehen, dass die Fassbierabfüllung bei Veltins im vergangenen Jahr weitgehend stillstand. Der Absatz sank hier um 281.000 Hektoliter auf 228.400 Hektoliter. Ein Minus von 56,3 Prozent.

Dass sich die Gastronomielandschaft verändern wird, steht außer Zweifel. Trotz der eigenen Umsatzrückgänge und des Absatzverlustes, unterstützt die Brauerei aus Meschede-Grevenstein ihre rund 14.000 Gastronomiekunden. Damit sie besser durch diese Krise kommen, hatte Veltins bereits im vergangenen Frühjahr die Darlehensrückzahlungen gestundet und wiederholt dies in der aktuellen Schließungsphase gerade wieder.

Helles Pülleken erfolgreich

Für die Brauereien spielen darüber hinaus auch ausgefallene Events von Konzerten bis zum Ausschank bei Schützenfesten oder in Fußballstadien wie der Veltins-Arena auf Schalke eine erhebliche Rolle.  

Dass sich die Einbußen bei Veltins im Vergleich zu den großen Mitbewerbern mit einem Minus von 3,5 Prozent in Grenzen hielten, hat nach Angaben der Brauerei mit dem rasanten Absatz von Getränken im Handel zu tun. Veltins führte im vergangenen April das Helle Pülleken, ein leichtes Helles, neu auf dem Markt ein. Mit 44.000 Hektoliter erfolgreicher als angenommen, sagt Marketingchef Volker Kuhl: „Wir waren im Sommer 2020 zur richtigen Zeit am richtigen Ort und haben mit dem Pülleken den Verbraucherwunsch nach unbeschwertem Biergenuss getroffen.“ Auch Grevensteiner konnte in der Krise erneut zulegen. 2020 wurde und beinahe eine Viertelmillion Hektoliter verkauft.

Kiste Bier bleibt vermutlich günstig

Mit knapp 1,8 Millionen Hektoliter Veltins-Pils aus dem Kasten stieg der Absatz für die Privatbrauerei hier um rund acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dass im Handel seit Monaten eine Preisaktion die nächste jagt und auch der Kasten von Premiummarken wie Veltins häufig um die zehn Euro zu haben ist, sorgt in der Veltins-Chefetage zwar für Murren, „aber wir haben keinen da überhaupt keinen Einfluss mehr auf die Preise. Die legt der Handel selbst fest. Der Preis an der Rampe bei uns in Grevenstein bleibt davon unbeeinflusst“, betont der Generalbevollmächtigte Michael Huber auf Nachfrage der Westfalenpost.

Die Umsatzzuwächse in den Getränkemärkten in der aktuellen Form hält Huber zudem für eine vorübergehende Erscheinung. Insofern gebe es auch keinen Ärger darüber, die rund 250 Durstymärkte an Hoffmann verkauft zu haben. Zumal die „Deutsche Getränke Logistik“ (DGL), ein Joint-Venture mit der Radebergergruppe, ebenfalls mächtig Umsatz macht. 2020 nach Hubers Angaben zwischen 1,4 und 1,5 Milliarden Euro: „Damit sind wir mehr als zufrieden.“

Perspektivisch rechnet man im Sauerland damit, in spätestens drei Jahren wieder auf Vorkrisenniveau zu sein. Kurzfristig erwartet die Branche eine Erholung bereits im Sommer. Von einem weiteren Abwärtstrend geht man nicht aus. Auch deshalb investiert die Brauerei konsequent weiter in die Erneuerung der Anlagen in Grevenstein. Eine neue Flaschenabfüllanlage werde wie geplant gebaut. Insgesamt sollen am Standort rund 100 Millionen investiert werden. Nicht nur in Steine, übrigens. Veltins hat im vergangenen Jahr die Mitarbeiterzahl auf 690 erhöht und will auch 2021 rund ein Dutzend Neueinstellungen vornehmen. Hubers Motto: „Wir wollen nicht Schwarzmalen. Und vielleicht legen wir 2021 auch schon wieder etwas zu.“

Verluste großer Brauereien im Jahr 2020 gegenüber 2019 laut Branchenmagazin „Inside“:

  • Becks: Minus 2,0 Prozent
  • Veltins: Minus 3,5 Prozent
  • Krombacher: Minus 4,8 Prozent
  • Bitburger: Minus 8,0 Prozent
  • König-Pilsener: Minus 14,5 Prozent
  • Warsteiner: Minus 16,2 Prozent

Der Gesamtausstoß deutscher Brauereien sank von 92,2 Millionen Hektoliter (hl) auf 86,6 Mio. hl. Der Pro-Kopf-Verbrauch lag demnach bei 95 Liter (Vorjahr: 99,7 l).