Essen. Einzelhandel erwartet dramatische Auswirkungen des Shutdowns. Sinn-Chef im Podcast: Öffnung nicht vor dem 24. Januar.

Zum zweiten Mal in diesem Jahr müssen die meisten Geschäfte schließen. Die Corona-Pandemie stürzt den deutschen Einzelhandel in eine tiefe Krise. Friedrich Göbel, Chef der Hagener Modekette Sinn, rechnet nicht damit, dass der Shutdown wie von Bund und Ländern geplant, am 10. Januar enden wird. „Ich gehe davon aus, dass wir erst wieder am 24. Januar öffnen können. In diese Richtung planen wir auch“, sagte der Unternehmer im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“, der ab 18. Dezember, 14 Uhr, auf WAZ.de zu hören ist.

Göbel befürchtet „dramatische Auswirkungen“ nicht nur für seine 24 Modehäuser, sondern für den gesamten Handel. Denn die Schließung in den Tagen vor und nach Weihnachten trifft die Läden zu einer Zeit, in der sie gemeinhin die höchsten Umsätze machen. Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbands NRW, geht davon aus, dass der Handel allein in Nordrhein-Westfalen täglich 200 bis 250 Millionen Euro verliere. „Der Lockdown ist nicht verhältnismäßig. Eine Hotspot-Strategie in Städten und Kreisen mit hohen Infektions-Inzidenzien wäre besser“, sagte Achten im Podcast. Auch er zeigt sich skeptisch für die Zeit nach Neujahr.

Onlinehandel legt zu

Sinn-Chef Göbel erwartet, dass sein Unternehmen in diesem Corona-Jahr 30 bis 40 Prozent weniger Umsatz machen werde als 2019. Im Gegensatz zu Branchen wie Lebensmittel, Möbel und Baumärkte leidet die Textilbranche besonders unter der Corona-Krise. „Wir sehen eine deutliche Verschiebung der Weihnachtseinkäufe ins Internet“, sagt Martin Groß-Albenhausen vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel. Vom 1. Oktober bis 29. November sei der Online-Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 17,5 Prozent auf fast 17,4 Milliarden Euro gewachsen. Im Bereich Bekleidung betrug das Plus im E-Commerce demnach sogar 20,5 Prozent.

Auch interessant

Obwohl immer mehr Kunden im Internet bestellen, will Göbel keinen eigenen Online-Shop aufbauen. „Das wäre kein profitables Unterfangen“, sagte der Sinn-Chef. „Online ist wichtig, aber keine Bedrohung für uns.“ Anbieter wie Zalando hätten Retoure-Quoten von bis zu 65 Prozent. „Das ist doch nicht ökologisch“, schimpft Göbel.

Gleichwohl kann der Handelsverband der Corona-Krise zumindest einen positiven Nebeneffekt abgewinnen. „Bei der Digitalisierung bewegt sich eine ganze Menge“, sagt Geschäftsführer Achten. „Nicht jeder muss einen eigenen Onlineshop haben. Geschäfte müssen im Internet aber sichtbar sein.“ Die Pandemie habe da für „viel Bewegung“ gesorgt. Achten: „Durch den Handel ist ein großer Ruck gegangen.“

Auch interessant

Um die Umsatzverluste auszugleichen, fordert der Verbandsgeschäftsführer Unterstützung analog zur Gastronomie. Das lehnt die Gewerkschaft Verdi für große Handelsketten ab und schlägt stattdessen eine „branchengerechte“ Unterstützung vor. Vielmehr warnt Verdi, dass Kurzarbeitergeld für Verkäuferinnen existenzgefährdend sei. „Mit 60 bis 67 Prozent des Nettogehalts kommen die nicht über die Runden. Deshalb darf es eine Erstattung an die Unternehmen nur in Verbindung mit der Bedingung geben, dass die Unternehmen das Kurzarbeitsgeld aufstocken, sagte Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger in Berlin.

Sie können den WAZ-Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ auf www.waz.de/wirtschaftsreporter hören oder kostenlos in Ihrer StreamingApp auf dem Smartphone abonnieren,zum Beispiel bei Spotify, fyeo, Podimo oder Apple Podcasts.