Wetter. Abus und Vodafone haben ein Vorhängeschloss entwickelt, das per Smartphone bedient werden kann. Wird der Schlüssel bald ganz überflüssig?

In großen Bürogebäuden hat die elektronische Zugangskarte längst den Schlüssel abgelöst. Nun sollen auch Schlösser für Fahrräder, Container und Baustellen digital werden und per Smartphone zu bedienen sein. Der Hersteller Abus aus Wetter an der Ruhr und der Telekommunikationskonzern Vodafone haben eine Partnerschaft vereinbart, um traditionelle Vorhängeschlösser ins Internet der Dinge zu bringen.



Die Digitalisierung des Abschließens ist für Abus kein neues Thema. „Wir bieten bereits Schlösser für Motorräder und Fahrräder an, die per App bedient werden. Das ist ein interessanter Wandel für uns“, sagt Abus-Geschäftsführer Christian Rothe. Sein 1924 in Wetter gegründetes Familienunternehmen mit weltweit mehr als 3500 Mitarbeitern habe sich früh mit smarten Lösungen befasst. So melden die Fahrradhelme aus dem Hause Abus inzwischen Stürze.

Antwort auf wachsende Kriminalität

Auch als Antwort auf die wachsende Kriminalität will die Traditionsfirma nun technisch ein neues Kapitel aufschlagen und gemeinsam mit dem Düsseldorfer Netzbetreiber das Internet der Dinge nutzen, um Schlösser smart zu machen. „Jetzt kann das Handy sogar den Schlüssel ersetzen“, sagt Vodafone-Geschäftskundenchef Alexander Saul. „Immer mehr Privatkunden nutzen das Internet der Dinge, etwa um die Heizung und Beleuchtung zu Hause zu steuern, oder ihre E-Bikes zu sichern“, beschreibt Saul den Trend zu vernetzten Lösungen, der sich in der Corona-Krise noch einmal verstärkt habe. Immer mehr Kunden wollten ihre Wohnung vom Smartphone aus steuern.



Nun soll aus dem robusten Vorhängeschloss von Abus mit Bügel, Kette oder Kabel das „Smart Lock“ werden. Die einzigen Unterschiede: Es ist etwas größer als das konventionelle, weil es wie Handys eine SIM-Karte in sich trägt, und es hat keinen Schlüssel. „Bei der Entwicklung ging es uns darum, Sicherheit und ein Zutrittsmanagement etwa für Baustellen anzubieten. Über das smarte Schloss können ganz einfach örtliche und zeitliche Berechtigungen vergeben werden. Und man kann die Schlüssel nicht mehr verlieren“, sagt Rothe mit einem Augenzwinkern.

Alarm soll Diebe in die Flucht schlagen

Die Steuerung per App hat aber auch den Vorteil, dass etwa Leihräder abgeschlossen werden können, ohne den Schlüssel weiterreichen zu müssen. Das Smart Lock kann aber auch Container oder Schränke sichern, zu denen eine Vielzahl von Nutzern Zugang haben müssen, aber auch Zäune und Maschinen auf Baustellen. Über eine App können Unternehmen Zutrittsrechte vergeben und zeitlich befristen. Die befugten Mitarbeiter öffnen das Schloss dann mit ihrem Smartphone. Kriminelle, die den Bügel knacken wollen, müssen damit rechnen, dass das Smart Lock sofort akustisch Alarm schlägt und dem Eigentümer eine Nachricht übermittelt.



„Wir erwarten, dass mit der Verbreitung des smarten Schlosses die Rückholquote gestohlener Gegenstände steigen wird. Das ist gut für die Besitzer. Und das ist auch ein spannender Ansatz für Versicherungen“, meint Vodafone-Manager Saul und ahnt, dass die Digitalisierung noch weitere Geschäftsfelder eröffnen könnte. Denn das Smart Lock liefert auch Informationen über seinen aktuellen Standort.

Internet der Dinge funkt auch im Keller

Rothe hält die Gefahr für gering, dass es digital geknackt werden kann. „Die kriminelle Seite entwickelt sich zwar weiter, aber auch die Sicherheitsmarke Abus in enger Kooperation mit der Polizei und Prüfinstituten. Die Verschlüsselung der Daten sorgt für einen hohen Sicherheitsstandard, der vor Hackerangriffen schützt“, sagt der Geschäftsführer. Auch Funklöcher seien kaum zu befürchten. „Auf 97 Prozent der Fläche in Deutschland funkt unser Maschinennetz. Es ist optimiert für die energiesparende Vernetzung von Sensoren und bringt unser Netz bis in den Keller und hinter dicke Betonwände“, betont Vodafone-Mann Saul. Zudem seien die Batterien der Sensoren in dem Schloss langlebig.



Abus-Geschäftsführer Rothe verhehlt nicht, dass bei aller Euphorie über die Technisierung in seinem Traditionsunternehmen auch ein Stück Wehmut aufkomme. „Schlüssel mit der Aufschrift Abus sind schon immer eine gute Markenbotschaft für uns gewesen. Das übernimmt zukünftig eine App“, sagt er. Gleichwohl geht er davon aus, dass Schlüssel nicht vollends aus dem Leben der Menschen verschwinden werden. Die Prognose des Fachmanns: „Den Schlüssel im Schloss wird es noch lange geben. Die Zahl wird mit der fortschreitenden Digitalisierung aber zurückgehen.“

>>> 278.000 Fahrräder gestohlen

Das Familienunternehmen Abus hat Sitz und Zentrale in Wetter an der Ruhr. Dort steht auch eine Fabrik, die runde Diskus-Schlösser produziert. In Deutschland hat Abus drei weitere Standorte mit insgesamt 1800 Beschäftigten. Weltweit arbeiten mehr als 3500 Menschen für die Firma.

Im vergangenen Jahr wurden 320.000 Einbrüche in Gebäude und 278.000 gestohlene Fahrräder registriert. Die Dunkelziffer wird als noch viel höher eingeschätzt.

Diebe klauten allein auf Baustellen in NRW Werkzeuge im Wert von 4,3 Millionen Euro.