Die Corona-Krise hat auch die Banken gefordert. Kunden lagern ihr Geld vermehrt im Schließfach. Ein Gespräch mit NRW-Bankenpräsident Carls.
Düsseldorf. Mitten in der Corona-Krise treffen am Freitag die Spitzen der Privatbanken, Sparkassen und Volksbanken digital mit Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und einigen Ministern zusammen. Welches Signal der hochkarätig besetzte NRW-Bankentag aussenden soll, erklärt NRW-Bankenpräsident André Carls im Gespräch mit Frank Meßing.
Herr Carls, am Freitag treffen Privatbanken, Sparkassen und Volksbanken mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und mehreren Landesministern digital zusammen. Welches Signal wollen Sie mit diesem NRW-Bankentag senden?
Andre Carls: Wir brauchen solche Signale der Einigkeit, um gut durch den Corona-Herbst und –Winter zu kommen. Wir müssen alles dafür tun, dass die Wirtschaft wegen der Pandemie nicht noch einmal zum Erliegen kommt. Die Zusammenarbeit zwischen Politik und Banken hat in der Krise gut funktioniert. Wir haben uns im Frühjahr sofort mit der Landesregierung darauf verständigt, wie wir gemeinsam Impulse setzen können, um den NRW-Unternehmen in dieser schweren Zeit mit Liquidität und Eigenkapital zu helfen.
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Ohne Hausbank gibt es in der Corona-Krise keine Überbrückungskredite. Wächst die Bedeutung von Banken in der Pandemie wieder?
Carls: Ich glaube ja. Aus meiner Sicht hatte das Hausbank-Prinzip vor der Krise keinen ganz so großen Stellenwert mehr. Das hat sich deutlich geändert. Zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind Banken zum Teil der Lösung geworden. Es war unsere erste Aufgabe, die Liquidität der Unternehmen sicherzustellen, als plötzlich alles still stand. Man kann mit Stolz sagen, dass das gelungen ist. Unsere Mitarbeiter haben zum großen Teil aus dem Homeoffice beraten und häufig unbürokratisch geholfen.
Viele mittelständische Unternehmen sind aktuell auf öffentliche und Hilfe der Banken angewiesen. Können Sie das Kreditvolumen bemessen, das in den vergangenen Monaten in die NRW-Wirtschaft geflossen ist?
Carls: Die Corona-Programme der Förderbank KfW wurden über die Hausbanken abgewickelt. Von bundesweit 45,4 Milliarden Euro sind bislang 9,4 Milliarden nach NRW geflossen. Ein Viertel aller bewilligten Anträge entfielen auf Nordrhein-Westfalen. Davon profitierten rund 22.000 Unternehmen. 2019 belief sich das Kreditvolumen der Geldinstitute in NRW auf 607 Milliarden Euro. Ich gehe davon aus, dass wir im laufenden Jahr eine weitere Steigerung sehen werden.
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Wächst der Kreditbedarf der Firmen in der Corona-Krise?
Carls: Rund ein Drittel der Kredite waren Notfallhilfen. Den größten Teil macht aber weiterhin das ganz normale Kreditgeschäft aus. Wir warten jetzt ab, wie die von der Bundesregierung geplanten November-Hilfen aussehen werden. Mein Eindruck ist, dass das ein sehr geordnetes Prozedere sein wird. Kredite für Unternehmen, die unter der Corona-Krise leiden, sind allerdings als Instrument irgendwann einmal ausgereizt. Deshalb reden wir mit unseren Kunden jetzt vor allem über die Stärkung des Eigenkapitals, um die Unternehmen wieder investitionsfähig zu machen. Vor allem im Hinblick auf die Digitalisierung.
Im Frühjahr waren viele Filialen wegen der Ansteckungsgefahr geschlossen. War der Shutdown ein Vorgeschmack auf die digitale Bankenwelt der Zukunft?
Carls: Bei der Commerzbank etwa waren anfänglich 80 Prozent der Geschäftsstellen zu. In der Zeit liefen Beratungen wie bei anderen Instituten auch weitgehend über das Telefon oder Videokonferenzen. Das hat gut funktioniert. Die Corona-Krise hat die Digitalisierung der Banken-Branche, die ohnehin im Gang war, beschleunigt. Der Trend geht eindeutig dazu, auch Kreditanträge bequem am Computer oder über das Smartphone zu stellen.
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Privatbanken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen straffen ihr Filialnetz. Ist das noch die richtige Antwort auf die Notwendigkeit, Abstand zu halten?
Carls: Wir stellen fest, dass die Kunden die Filialen immer seltener benötigen. Mit 35.000 Bank-Filialen in Deutschland – so viel wie Bäckereien – sind wir „overbanked“. Der Trend geht eindeutig zu größeren Beratungscentern, in denen alle Angebote gebündelt sind. Die längere Anfahrt zu diesen Centern nehmen die Kunden dann auch in Kauf. Diese großen Geschäftsstellen, wie etwa die Flagships der Commerzbank in Bochum oder Düsseldorf, bringen dann auch die räumlichen Voraussetzungen mit, die wir in Zeiten der Pandemie brauchen: Großzügigkeit und viel Platz.
Händler bevorzugen wegen der Infektionsgefahr die bargeldlose Bezahlung. Kommt das erwartete Aus für Scheine und Münzen durch Corona schneller?
Carls: Auch das bargeldlose Bezahlen ist in der Pandemie erheblich beschleunigt worden. Die Banken haben reagiert und fordern für Beiträge bis 50 Euro keine PIN mehr. Wir erhöhen gerade die Quote der Kunden, die völlig kontaktlos mit dem Smartphone bezahlen. Mehr als die Hälfte der Bezahlvorgänge erfolgen bereits über die Girocard. Dennoch hängen die Deutschen am Bargeld. Deshalb sehe ich das Ende von Scheinen und Münzen längst nicht gekommen.
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Unter den Anlegern gab es Tendenzen, angesichts der Krise ihr Geld lieber unters Kopfkissen zu legen. Ist das ein Trend?
Carls: Ja, wir haben gesehen, dass viele Kunden ihr Geld lieber nach Hause holen wollen. Jede Krise löst ein psychologisches Moment aus. Deutschland ist das Land der Sparer. Zuletzt sparten die Menschen mehr als 21 Prozent ihres verfügbaren Einkommens. Da das Geld zu Hause aber nicht unbedingt sicher ist, sind Schließfächer in den Banken deutlich begehrter geworden. Geld im Schließfach aufzubewahren, ist ein Trend, den wir beobachten. Allerdings wächst auch der Anteil der Kunden, die ihr Geld in Aktien-Sparfonds anlegen.
Der NRW-Bankentag am Freitag beschäftigt sich mit einem „lösungsorientierten Nachhaltigkeits-Verständnis“. Wie sehen nachhaltige Banken aus?
Carls: Bankberater weisen immer häufiger auf grüne Anlageprodukte hin, die Umwelt-, aber auch Sozialstandards erfüllen. Unternehmen, die Kredite beantragen, müssen nachweisen, dass sie die Pariser Klimaziele einhalten. Viele Geldinstitute haben sich dazu entschlossen, Projekte mit Kohle- oder Atomkraft nicht mehr zu unterstützen. Die Banken selbst sparen natürlich auch CO2 ein. Unsere Kunden erwarten aber auch, dass unsere Geschäftspolitik von der Achtung der Menschenrechte und die Ächtung der Kinderarbeit geleitet ist. Banken sind ja auch Lenker von globalen Geldströmen.
Es gibt aber viele Länder, die weiter auf Kohle und Atomkraft setzen.
Carls: Deshalb braucht die Kreditwirtschaft von der Europäischen Union klare und verlässliche Vorgaben, was als nachhaltig einzustufen ist. Wie gehen wir zum Beispiel mit Elektroauto-Batterien um, die mit Kohlestrom in China hergestellt werden? Dabei darf natürlich kein Bürokratiemonster herauskommen. Die Regulierung für Banken ist ohnehin schon sehr umfangreich.