Essen. NGG sieht in NRW Zehntausende Jobs im Gastgewerbe bedroht und fordert höheres Kurzarbeitergeld. Gästezahlen brechen im Ruhrgebiet besonders ein.
Die Gewerkschaft Nahrung Gaststätten Genuss (NGG) warnt vor einer „Entlassungswelle ungekannten Ausmaßes“ im nordrhein-westfälischen Gastgewerbe. Mit der sich abzeichnenden Pleitewelle in der Gastronomie und Hotellerie drohe auch „der Verlust Zehntausender Jobs“, warnt die Gewerkschaft und verbindet dies mit dem Appell an die Politik, der Branche zu helfen.
„Abgesagte Messen, verschobene Geschäftsreisen und Geisterspiele im Fußball machen der Branche besonders zu schaffen. Der Tourismus kommt an Rhein, Ruhr und Weser nur sehr langsam in Gang“, sagte NGG-Landeschef Mohamed Boudih unserer Redaktion – und forderte: „Wenn die Politik Beschäftigte und Betriebe nicht stärker unterstützt, wird ein Teil des Gastgewerbes die kommenden Monate nicht überstehen.“
NGG fordert Aufstockung des Kurzarbeitergeldes
Ministerpräsident Armin Laschet und NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (beide CDU) sollten sich in Berlin mit Nachdruck für eine Verlängerung der Kurzarbeit-Regelung und für eine deutliche Aufstockung des Kurzarbeitergeldes einsetzen, fordert die NGG. In Berlin zeichnet sich derzeit ab, dass die maximale Bezugsdauer des Kurzarbeitergelds von einem auf zwei Jahre verlängert werden soll – diesem Vorschlag von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) steht der Koalitionspartner Union großteils offen gegenüber, aus dem Wirtschaftsflügel kommt jedoch Widerstand.
Eine stufenweise Aufstockung des Kurzarbeitergeldes hatte die Koalition bereits beschlossen: Die 60 beziehungsweise 67 Prozent bei Eltern vom Nettolohn können je nach Bezugsdauer auf bis zu 80/87 Prozent erhöht werden. Letzteres greift aber erst nach einem halben Jahr. „Angesichts der niedrigen Löhne in der Gastronomie und Hotellerie kommen viele Menschen schon jetzt nicht über die Runden“, warnt Boudih. Er fordert für Branchen wie das Gastgewerbe eine weitere „deutliche Aufstockung“ beim Kurzarbeitergeld. Denn: „Nicht nur die Hoteliers und Wirte sind in Not, sondern auch viele der rund 330.000 Beschäftigten im NRW-Gastgewerbe und ihre Familien.“
Gästezahlen brechen im Ruhrgebiet heftig ein
Neue Zahlen des Statistischen Landesamtes zum Hotelgewerbe in NRW verheißen besonders für das Ruhrgebiet nichts Gutes: Im Juni lag die Zahl der Übernachtungen um 60 Prozent unter dem Vorjahreswert, damit fiel der Einbruch stärker aus als im Landesdurchschnitt (-55 Prozent). Die Folgen der Corona-Pandemie treffen die Messestädte wie Essen, Dortmund, Köln und Düsseldorf ganz besonders, während Regionen mit größeren touristischen Angeboten glimpflicher davonkommen – so verzeichnete das Sauerland nur 38 Prozent weniger Übernachtungen. Im gesamten ersten Halbjahr begrüßten die Hotels im Ruhrgebiet 53 Prozent weniger Gäste.
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„Die Zahlen zeigen, wie sehr besonders der Städtetourismus unter Corona leidet. Selbst in den Ferienmonaten Juli und August dürfte es hier kaum ein Aufatmen geben“, sagt NGG-Landeschef Boudih, „denn in den Urlaub fahren die Menschen eher an die Ostsee oder in die Alpen als ins Rheinland, während zugleich die Gäste aus dem Ausland fehlen.“ In der Tat brachen die Übernachtungen ausländischer Gäste um rund 80 Prozent ein, auch das weist die jüngste NRW-Statistik aus.
Viele Restaurants sehen ihre Existenz bedroht
Wie die Hotels klagen auch die Restaurants, Cafés und Bars über massive Umsatzeinbußen, die sie reihenweise an den Rand der Pleite treiben. In einer aktuellen Umfrage des Deutschen Hotel und Gaststättenverbands (Dehoga) haben in NRW zwei von drei Gastronomen und Hoteliers angegeben, die Existenz ihres Betriebes sei gefährdet.
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Hauptgrund ist, dass sie trotz der wieder erlaubten Öffnung aufgrund der Abstandsregeln durchschnittlich 42 Prozent ihrer Sitzplätze abbauen mussten. Ihre Umsätze lagen deshalb auch im Juli noch um fast die Hälfte unter Vorjahresniveau. Für das Gesamtjahr rechnen die Gastronomiebetriebe und Hotels an Rhein und Ruhr damit, dass sich ihre Umsätze mehr als halbieren (-54 Prozent). Während aktuell vor allem die Außenbereiche gut besucht und dafür auch Saisonaushilfen eingestellt werden, haben die Wirte größte Sorge vor einem erneuten Einbruch in der dunklen Jahreszeit.