Essen. So lokal verschieden lief die Ernte selten: Dürre trifft Bauern am Niederrhein erneut hart, im Ruhrgebiet dagegen kaum. Das liegt auch am Boden.

Waffelduft strömt aus dem Hofladen, wenn sich die Tür dem Kunden öffnet. Draußen steht Landwirt Christian Ridder und atmet tief durch in der endlich mal wieder frischen Morgenluft. Die Schauer der letzten Tage taten gut, „wir sind froh über jeden Tropfen“, sagt er. Der Mais, den er wenig später auf dem Feld begutachtet, kann noch ein paar Tropfen mehr gebrauchen, der Kolben ist an der Spitze kahl geblieben, die obersten Körnerreihen sind leer. Trotzdem wird es im September und Oktober eine ordentliche Maisernte geben, ist Ridder überzeugt. Wie schon beim Weizen, der Gerste und dem Raps, die längst im Silo sind.

So örtlich verschieden wie die Gewitter der vergangenen Tage fällt in diesem Jahr auch die Erntebilanz aus: Während die Bauern in Ostdeutschland zum dritten Mal in Folge über immense Ausfälle vor allem beim Getreide klagen, berichtet der Rheinische Landwirtschaftsverband (RLV) von einer nur leicht unterdurchschnittlichen Ernte mit rund fünf Prozent unter dem langjährigen Mittel. Doch auch im Rheinland gingen die Erträge – wie schon 2019 – weit auseinander.

Sandige Böden belasten Ernte am Niederrhein

Am Niederrhein waren sie am schlechtesten, weil ausgerechnet hier, wo der Boden sandig und damit ein schlechter Wasserspeicher ist, der wenigste Regen fiel. Zwischen März und Mai regnete es fast gar nicht, im Juni schwankte der örtliche Niederschlag zwischen 30 und 130 mm (Liter pro Quadratmeter). Damit fiel mancherorts nur knapp die Hälfte des normalen Juni-Niederschlags, andernorts das Doppelte. Generell sorgten die trockenen Vorjahre in den tieferen Schichten nach wie vor für eine zu geringe Bodenfeuchte, erklärte der RLV unserer Redaktion. Das wird am Niederrhein auch die Heuernte und damit besonders Milchviehhalter und Pferdehöfe hart treffen.

Die Ernte in Ostdeutschland, hier in Mecklenburg-Vorpommern, fiel 2020 erneut schwach aus, in NRW war die Dürre weniger hart.
Die Ernte in Ostdeutschland, hier in Mecklenburg-Vorpommern, fiel 2020 erneut schwach aus, in NRW war die Dürre weniger hart. © dpa | Jens Büttner

Die Felder der Ridders liegen am äußersten Rand der rheinischen Bezirke, hier im Essener Nordosten ist der Boden sehr lehmig und damit in Dürrejahren Gold wert. Aber auch er ist inzwischen ausgetrocknet. „Die tiefen Speicher sind leer“, sagt Christian Ridder (30). Der Jungbauer hofft einmal mehr auf eine feuchte dunkle Jahreszeit, damit sie sich wieder füllen. Langfristig aber lotet er wie viele Landwirte Alternativen aus: „Wir testen andere Sorten, etwa beim Raps. Und wir schauen uns auch um, welche Pflanzen in anderen Ländern gut mit langen Trockenphasen zurechtkommen“, sagt er.

Bauernpräsident: Auf Klimawandel einstellen

Der Deutsche Bauernverband empfiehlt das ausdrücklich: Das Problem des Klimawandels „verfestigt sich“, betonte Bauernpräsident Joachim Rukwied am Dienstag. Die Wetterextreme häuften sich, weshalb viele Landwirte auf neue Sorten und schonendere Bodenbearbeitung umstellten. Wichtig seien auch neue Züchtungsmethoden, um schneller widerstandsfähige Sorten zu erhalten. Dass die Getreidepreise wegen des stabilen Weltmarktes in diesem Jahr trotzdem stabil blieben, treffe Landwirte mit schlechter Ernte doppelt, so Rukwied. Er fordert daher staatliche Hilfe für den Aufbau einer Versicherung gegen die Risiken, die der Klimawandel mit sich bringt.

Die Klima-Versicherung

Der Deutsche Bauernverband will die Risiken durch den Klimawandel mit einer neuen Versicherung „strategisch angehen“, so Präsident Rukwied. Für den Aufbau einer „Mehrgefahrenversicherung“ bräuchten die Landwirte aber Hilfe vom Staat.

Jährlich 400 bis 500 Millionen Euro Anschubfinanzierung für mindestens drei Jahre benötige man von Bund und Ländern, sagte Rukwied. Das Bundeslandwirtschaftsministerium reagierte zurückhaltend.

Deshalb, mangels Nachfolgern und in der Tierhaltung wegen des harten Preiswettbewerbs und neuer Auflagen geben jedes Jahr Tausende Bauern auf. Christian Ridder weiß um das Höfesterben, auch in der Region, sein Vater Christoph ist Vorsitzender der Kreisbauernschaft Ruhrgroßstädte. In NRW hat sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in den vergangenen 30 Jahren auf zuletzt rund 33.000 nahezu halbiert. „Unser Vorteil ist die Direktvermarktung “, sagt Ridder, die gesamte Erdbeerernte wird wie die eigenen Eier im Hofladen unweit des Krayer Zentrums verkauft, dazu wird gebacken und Marmelade gekocht. Das ist weit rentabler als die Ernte in den Handel zu geben, wozu viele Bauern gezwungen sind. „Wer seinen Hof auf dem platten Land hat, kann kaum direkt vermarkten.“

Zufrieden mit der Erdbeerernte

Und die Erdbeerernte, sagt Ridder, war dieses Jahr richtig gut, die Nachfrage in den Haupterntemonaten Mai und Juni auch wegen der Corona-Pandemie hoch, „weil die Leute alle zuhause geblieben sind“. Weil es landesweit bei weitem nicht so gut lief und in NRW rund 40 Prozent weniger Erdbeeren geerntet wurden als im Vorjahr, waren dazu die Preise vergleichsweise hoch.

Das lag zum Teil auch daran, dass wegen der Pandemie weniger Erntehelfer aus Osteuropa kamen und Beeren an den Sträuchern blieben. Nicht bei den Ridders. Zwar seien nur fünf von zwölf Saisonkräften gekommen, dafür andere eingesprungen. Darunter auch Menschen, die wegen der Corona-Krise plötzlich keine Arbeit mehr hatten.

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Die wichtigste Getreideart in NRW ist der Winterweizen, der 2019 auf rund 250.000 Hektar stand.

An zweiter Stelle folgt die Wintergerste mit 150.000 ha. Die Anbaufläche von Triticale, einer Kreuzung aus Weizen und Roggen, lag bei 64.000 ha.