Arnsberg. Der Arnsberger FDP-Politiker und Unternehmer Carl-Julius Cronenberg lehnt das geplante Lieferkettengesetz ab. Es helfe niemandem, sagt er.

Können deutsche Unternehmen alle Schritte bei der Produktion ihrer Waren im Ausland kontrollieren? Das jedenfalls fordert das Lieferkettengesetz, das derzeit in Berlin diskutiert wird. Die Wirtschaft stemmt sich gegen die Verpflichtung zur Einhaltung guter Arbeitsbedingungen, die auch die Zulieferer einschließt. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zeigt sich unnachgiebig. Carl-Julius Cronenberg (57) betrachtet das Thema gleich aus drei Perspektiven: als Bundestagsabgeordneter, als Geschäftsführer des mittelständischen Arnsberger Familienunternehmens JCS – und als Oppositionspolitiker der FDP, der Entscheidungen der großen Koalition ohnehin kritisch sieht.

Den Letzten beißen die Hunde. Gilt das auch für die Lieferketten im globalen Handel?

Cronenberg: Die absolute Armut ist in den vergangenen 30 Jahren dramatisch gesunken. In China sind 400 Millionen Menschen in die Mittelschicht aufgestiegen. Vietnam holt gerade mächtig auf. Auch in Afrika sehen wir trotz aller Probleme viele positive Entwicklungen. Das alles verdanken wir nicht populistischen Gesetzen nach dem Motto „am deutschen Wesen soll die Welt genesen“, sondern dem globalen Handel. Insofern ja, leider gibt es regionale und sektorale Missstände. Aber nein zu der pauschalen Unterstellung, dass ohne Lieferkettengesetz deutsche Unternehmen munter ausbeuten.

„Die Anständigen steigen aus“

Was spricht denn gegen ein Gesetz, das Unternehmen auf Sozial- und Umweltstandards entlang der Lieferkette verpflichtet?

Keine Verantwortung ohne Kontrolle lautet ein wichtiger Grundsatz in der Ethik. Nun ist die Regierung nicht so naiv, dass sie Unternehmen für die Einhaltung von Standards weltweit in die Haftung nehmen will. Es geht lediglich um „Sorgfaltspflichten“ oder genauer um die Dokumentation der Einhaltung der Sorgfaltspflichten. Was soll das bringen? Unternehmen können doch gar nicht die Rechtslage vor Ort kennen, geschweige denn die Produktionsstätten der Lieferanten der Lieferanten. Wie der Name schon sagt: Es geht um Lieferketten und die sind lang und global. Was wird also passieren? Die Anständigen steigen aus, und die Unehrlichen dokumentieren alles, was der Gesetzgeber sich wünscht. Im Grunde geht es darum, dass die Regierung sich aus der Verantwortung stehlen will, mit kluger Diplomatie und wirkungsvoller Entwicklungspolitik für die Verbesserung der Menschenrechtslage Sorge zu tragen. Deshalb lehne ich das Gesetz ab.

Carl-Julius Cronenberg (FDP) lehnt das Lieferkettengesetz ab.
Carl-Julius Cronenberg (FDP) lehnt das Lieferkettengesetz ab. © Foto: HO

Laut Befragung hält bisher nur jedes fünfte Unternehmen Menschenrechtsstandards ein. Es handelt sich also nicht um Einzelfälle.

Die Befragung zielte von Anfang an darauf ab, mit dem Ergebnis die Notwendigkeit für ein gesetzgeberisches Handeln zu legitimieren. Der Fragebogen umfasste 37 Fragen, die alle positiv beantwortet werden mussten, um als „Erfüller“ zu gelten. Erfüllt ein Unternehmen die Anforderungen nur zu 99 Prozent, wird gleich pauschal Verantwortungslosigkeit und die Inkaufnahme von Ausbeutung unterstellt. Ich finde es im Übrigen schlimm, dass jetzt so getan wird, als ob 80 Prozent des deutschen Mittelstands in seinen Lieferketten Menschenrechte verletzt oder Verletzungen fördert oder auch nur toleriert. Das Gegenteil ist richtig. Gerade die inhabergeführten Familienunternehmen haben einen festen Wertekanon und leben den auch.

Der Mittelstand klagt über einen wachsenden Bürokratieaufwand. Das Lieferkettengesetz soll jedoch erst für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern gelten. Das müsste für sie doch zu schaffen sein.

Handelsketten und große Unternehmen wälzen ihre Haftungsrisiken in Lieferverträgen auf ihre Lieferanten ab. Das ist grundsätzlich in Ordnung, führt aber dazu, dass das geplante Gesetz alle Unternehmen treffen wird. Nehmen Sie einen heimischen Leuchtenhersteller, der viel aus China importiert: Wie soll der wissen, ob seine Lieferanten Vorlieferanten haben, die in Xin Jiang uigurische Zwangsarbeiter einsetzen? Also hat er zwei Möglichkeiten: Entweder er unterschreibt Zusagen, die er nicht einhalten kann, oder er steigt aus der Lieferbeziehung aus und die Handelskette bedient sich eines Zwischenhändlers, der weniger Skrupel hat. Beides ist schlecht für die Lieferbetriebe weltweit und schafft Bürokratie ohne Mehrwert bei uns.

„Man erweist denen, die man schützen will, einen Bärendienst

Kann es nicht auch ein Wettbewerbsvorteil sein, sich an Standards zu halten?

Definitiv! Aber das ist doch heute schon so. Es ändert sich ja nichts in den Betrieben, sondern es kommt nur eine bürokratische Dokumentation hinzu. Zwei weitere Aspekte dürfen in diesem Zusammenhang nicht unterschätzt werden. Erstens: Große Unternehmen unterstützen das Gesetz, weil sie sich erhoffen, dadurch kleinere, mittelständische Wettbewerber vom Markt verdrängen zu können. Davon sind auch viele Betriebe in Südwestfalen betroffen. Zweitens: Was passiert eigentlich, wenn ein deutscher Importeur so ehrlich ist und mangels nachgewiesener Einhaltung von lokalen Standards die Geschäftsbeziehung beendet? Das kann und wird zur Folge haben, dass Betriebe schließen und die Ärmsten der Armen wieder auf der Straße landen. So erweist man denen, die man vorgibt schützen zu wollen, einen Bärendienst.

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Wie lautet Ihr Gegenvorschlag?

Es gibt zweifellos große Missstände wie zum Beispiel in Textilfabriken in Äthiopien oder auf Kakaoplantagen in Westafrika. Dort muss die Regierung oder besser noch die EU Entwicklungshilfe an Auflagen knüpfen. In der Breite sollten unsere Organisationen vor Ort neben klassischen Entwicklungshilfeprojekten auch Beratung und Zertifikate anbieten, also da helfen, wo die Probleme entstehen. Das ist nachhaltiger und am langen Ende auch wirtschaftlich erfolgreicher.