Essen. Das Amtsgericht Essen hat ein Insolvenzverfahren in Eigenregie für Galeria Karstadt Kaufhof eröffnet. Verdi vermisst Unterstützung von Laschet.
Dieser 1. Juli meint es nicht gut mit den Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof und ihren Interessenvertretern: Das Management hat seinen Sanierungsplan samt Dutzenden Filialschließungen dem Insolvenzgericht vorgelegt. Und der graue Tag lässt die Betriebsräte bei ihrer Protestkundgebung vor dem Kaufhof am Essener Hauptbahnhof im Regen stehen. „Zukunft statt Kahlschlag“ fordern die Betriebsratsvorsitzenden der 22 NRW-Filialen, die auf der Schließungsliste stehen. Viele hier fühlen sich im Stich gelassen – vom Karstadt-Management mit den Insolvenzexperten Arndt Geiwitz und Frank Kebekus. Aber auch vom Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU).
Das Amtsgericht Essen leitete am Mittag die nächste Phase im Überlebenskampf des Warenhaus-Konzerns ein: Auf das dreimonatige Schutzschirmverfahren folgt nun ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, so hat es das Gericht laut Mitteilung auf Antrag von Galeria Karstadt Kaufhof angeordnet. Zum Sachwalter wurde erneut Frank Kebekus bestellt. Geiwitz agiert im Auftrag der Eigentümer um den österreichischen Milliardär René Benko. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens können nun die Gläubiger ihre Forderungen gegenüber dem Konzern anmelden.
Insolvenzverfahren für Karstadt und Töchter
Im Insolvenzverfahren soll der Sanierungsplan durchgesetzt werden, um das Unternehmen wieder auf die Beine zu stellen. Das Amtsgericht wird sich Anfang September berichten lassen und prüfen, ob das Unterfangen erfolgversprechend ist oder nicht. Für die Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof hat das Gericht dafür den 1. September anberaumt. Es folgen die Pläne für die Tochterunternehmen Karstadt Sports, Galeria Logistik, Sportarena, Le Buffet, Dinea Gastronomie Karstadt Feinkost, Atrys I und Saks Fifth Avenue Off 5th Europe. Für sie wurde jeweils ebenfalls Insolvenz in Eigenverantwortung beantragt und genehmigt, wie das Gericht mitteilte.
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Bisher bekannt sind Pläne, 62 der bundesweit 172 Warenhäuser zu schließen, darüber hinaus 20 von 30 Sporthäusern und 24 von 50 Karstadt-Feinkost-Filialen. Verdi will allerdings noch möglichst viele Filialen retten. Die Gewerkschaft hat am Mittwoch die Vorsitzenden der Betriebsräte aller betroffenen NRW-Standorte zusammengeholt, um das weitere Vorgehen zu beraten. Je neun Karstadt-Häuser und Kaufhöfe sollen in NRW schließen, dazu vier Karstadt-Sports-Filialen und mehrere Feinkost-Abteilungen.
Betriebsräte fühlen sich im Stich gelassen
Die Arbeitnehmervertreter haben hier und da noch etwas Hoffnung, weil sich Verdi mit Unterstützung des jeweiligen Stadtoberhaupts noch für ihre Filiale einsetzt, andere wissen, dass es nicht weitergeht. „Man lässt uns in der Schwebe“, sagt eine Betriebsrätin aus Essen. Was auch den Umgang mit den Kunden nicht leichter mache: „Die Kunden fragen uns, wann wir schließen, wann der Ausverkauf startet. Und es kommen auch Stammkunden, die einen einfach in den Arm nehmen wollen“, erzählt sie. Die Stimmung, sagt eine Kollegin der benachbarten Karstadt-Sports-Filiale, sei unterirdisch, „viele sind noch in einer Schockstarre, weil sie nicht glauben können, dass ihre Filiale schließen soll.“
Ulrich Bartel, Betriebsratschef des Kaufhof am Essener Hauptbahnhof, ruft: „Noch ist Essen Einkaufsstadt, bald schon Geisterstadt.“ Wenn am 31. Oktober hier die Lichter ausgingen, sei das nicht die Schuld der Mitarbeiter, sondern des Managements, „das nicht auf uns hören wollte“. Die angebotene Abfindung von andertalb Monatsgehältern nennt er „Betrug an den eigenen Mitarbeitern“.
Zuspruch vieler Kunden in Dortmund
In Dortmund, wo wie in Essen mit Karstadt, Kaufhof und Karstadt Sports alle drei Häuser schließen sollen, ist die Stimmung ebenfalls miserabel, wie Betriebsratsvorsitzender Gerhard Löpke sagt. Der Zuspruch der Kunden in den vergangenen Wochen tue aber gut. Der Betriebsratschef der ebenfalls bedrohten Wittener Kaufhof-Filiale, Rainer Demarck, mag noch nicht aufgeben, „es werden nicht alle Häuser schließen, die auf der Liste stehen“, ist er sicher.
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So sehr viele Betriebsräte die Rückendeckung ihrer Stadtoberhäupter schätzen, vor allem von Dortmunds OB Ullrich Sierau (SPD) und Essens OB Thomas Kufen (CDU), so sehr vermissen sie die Unterstützung der Landesregierung. Während etwa Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (beide CDU) und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sich aktiv in die Gespräche mit den Eigentümern einbringen, um einzelne Häuser doch noch zu retten, hört man derlei von Armin Laschet (CDU) nicht. Verdi habe den Ministerpräsidenten vor zwei Wochen angeschrieben, sagt Silke Zimmer, Fachbereichsleiterin für den Handel bei Verdi NRW, unserer Zeitung, und bedauert: „Bisher haben wir darauf keine offizielle Antwort erhalten.“
Verdi will längere Transfergesellschaft
Verdi erhofft sich etwa bei der Transfergesellschaft für die Beschäftigten der zu schließenden Filialen Unterstützung des Landes. So fordert die Gewerkschaft, die vereinbarte Dauer von sechs Monaten in der Transfergesellschaft mit Hilfe, sprich Geld des Landes zu verlängern, damit die Beschäftigten eine echte Chance haben, sich weiterzubilden und einen neuen Job zu erhalten. Die vom Land zugesagten 70 Millionen Euro zur Stärkung der betroffenen Innenstädte begrüßt Verdi ausdrücklich, bezweifelt aber, dass dies ausreicht.