Das Konjunkturpaket hilft auch dem Ruhrgebiet. Die größte Chance bietet aber die Förderung neuer Technologien. Dafür muss das Revier nun kämpfen.
Die Bundesregierung flutet die Republik mit Geld, echtem Geld. Das Konjunkturpaket enthält nicht für jeden, aber für viele ein Päckchen Bares. Für Verbraucher, Familien, Unternehmen und Kommunen. Die Berliner Bazooka streut breit, damit bei möglichst jeder etwas abbekommt. Was zur Folge hat, dass der Einzelne mitunter findet, bei ihm komme zu wenig an. So geht es nun Menschen, die wegen der Corona-Krise arbeitslos geworden sind, Gastronomen, die kurz vor der Pleite stehen, der Autoindustrie – und natürlich den chronisch klammen Städten im Ruhrgebiet.
Aus dem allenfalls halblauten Ärger der Enttäuschten wird die Groko in der Hauptstadt den Schluss ziehen, alles richtig gemacht zu haben. Doch allein die gewaltigen Corona-Schulden, die wir Steuerzahler und vor allem unsere Kinder dereinst werden zurückzahlen müssen, gebieten den kritischen Blick aufs Detail. Der zeigt aus Sicht des Ruhrgebiets freilich, dass es mehr als andere Regionen von dem 130-Milliarden-Euro-Paket profitieren kann. Es wird nur auch selbst einiges dafür tun müssen, wenn es mit Wumms aus der Krise kommen will.
Die Corona-Krise hat die Strukturschwächen zwischen Duisburg und Dortmund brutal offengelegt. Der zehnjährige Daueraufschwung hat viele Defizite überdeckt, hat das verständliche Bedürfnis gestärkt, endlich mal die positiven Entwicklungen zu betonen, zu zeigen, was alles besser geworden ist. Das war ja auch nicht wenig, Schmuddelquartiere wurden zu lebenswerten Wohnorten, mehr Menschen fanden Arbeit, eine sehr lebendige Startup-Szene entwickelte sich und gab der Region neues Selbstbewusstsein.
Doch auch wenn der Aufschwung nicht am Ruhrgebiet vorbeiging, haben andere Regionen mehr zugelegt und ihren Vorsprung entsprechend vergrößert. Die bekannten Strukturschwächen sind der noch immer zu schwache Mittelstand, die nach wie vor nicht sanierten und deshalb fehlenden Flächen für neues Gewerbe und Industrie, mithin die mangelnde Vielfalt der heimischen Wirtschaft, der es im Vergleich mit anderen Regionen an Innovationskraft fehlt. Dazu eine schwächelnde Schwerindustrie, die den Sprung in eine klimafreundliche Zukunft zu verpassen droht.
Und natürlich der hohe Anteil an Langzeitarbeitslosen, die Straßenzüge im Norden des Reviers, in denen mehr Menschen Hartz IV beziehen als arbeiten. Was einhergeht mit viel zu hohen Sozialkosten für die Kommunen, die sich kaputt gespart haben und trotzdem nicht von ihren Schulden runter kommen. Ihr Ärger, dass es nichts mit der von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) versprochenen Altschuldentilgung wurde, ist verständlich. Doch ein Konjunkturpaket ist der falsche Rahmen dafür, es muss nach vorne schauen.
Und es enthält einiges, was die Konjunktur sofort stützen kann: Die Senkung der Mehrwertsteuer hilft vor allem Geringverdienern, sie können sich im Supermarkt mehr leisten. Das wird sich in den ärmeren Vierteln im Ruhrgebiet besonders bemerkbar machen. Das gleiche gilt für den Familienbonus, den wenige Eltern in Essen-Bredeney nötig haben, aber viele in Altenessen gut gebrauchen können und direkt in den Konsum stecken werden. Die Übernahme des Großteils der Hartz-IV-Kosten wiederum kommt den Städten im Ruhrgebiet weit mehr zugute als anderen, weil sie die höchsten Ausgaben haben. Ein Schuldenerlass macht nur Sinn, wenn die Revierkommunen nicht durch ihre strukturell sehr hohen Sozialkosten gleich wieder neue machen müssen. Nun steht immerhin eine der beiden Säulen für langfristig stabile Finanzen im Ruhrgebiet.
Entscheidend wird aber sein, ob das Ruhrgebiet die vielen Chancen nutzt, die das Konjunkturpaket feilbietet: Staatsförderung von Forschung und klimafreundliche Innovationen. So fordern zum Beispiel kluge Köpfe aus Politik und Wirtschaft seit Monaten, das Revier müsse zur Pilotregion für die Wasserstoff-Wirtschaft der Zukunft werden. Der Bund will dafür Geld geben, doch noch fehlen die Schwerpunkt-Projekte, die er hier fördern könnte.
Mit den Kohlestromkonzernen RWE und Uniper sowie der Stahlindustrie hat das Revier gebündelte Risiken alter Industrien. Und zugleich die Chance vorwegzugehen bei der Umstellung dieser Schwergewichte auf eine klimaneutrale Produktion, zum Beispiel mit Wasserstoff. Mit Wumms aus der Krise kommen kann das Ruhrgebiet nur, wenn es diese vielleicht einmalige Chance auf einen kräftigen Schub für Zukunfts-Technologien aktiv ergreift.