Bochum. Bund und Land delegieren Krisenmanagement nach Corona auf die Kommunen. Warum Wirtschaftsförderer gegen Steuererhöhungen sind.

Die Corona-Pandemie hat das Ruhrgebiet zurückgeworfen. Mit dem Auslaufen des Shutdowns drängen die Wirtschaftsförderer darauf, nach Wochen des Stillstands wieder den Blick nach vorn zu richten. „Wir brauchen einen Neustart und Antworten auf die Frage, wie die finanziellen Folgen von Corona bewältigt werden können“, sagt Rasmus C. Beck, Geschäftsführer der Business Metropole Ruhr. Wie es gehen kann, zeigt Bochum.

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Ralf Meyer kommt gerade aus einer Videokonferenz mit dem Deutschen Städtetag. Der Geschäftsführer der Bochum Wirtschaftsentwicklung ist nicht nur der oberste Wirtschaftsförderer der Stadt. Unter seinen Amtskollegen ist er auch für die Koordination der kommunalen Interessen im Ruhrgebiet verantwortlich. „Nach dem Shutdown werden immer mehr Entscheidungen von der Bundes- und Landesebene auf die Städte übertragen. Darauf müssen wir vorbereitet sein“, sagt Meyer.

Der Bochumer Wirtschaftsförderer Ralf Meyer.  
Der Bochumer Wirtschaftsförderer Ralf Meyer.   © Ingo Otto / Funke Foto Services | Ingo Otto

Bochum hat schon früh auf die Lockerungen reagiert und einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt. „Die Umsätze des Einzelhandels werden für lange Zeit nicht mehr das Niveau vor Corona erreichen“, prophezeit der Wirtschaftsförderer. Um die Menschen dennoch in die Innenstadt und die Läden zu locken, verzichtet Bochum für die ersten drei Stunden auf Parkgebühren. Wer mit dem Fahrrad kommt, erhält eine kostenlose Wäsche für den Drahtesel.

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Kleinen Händlern, die noch zögerlich im Internet unterwegs sind, bietet die Stadt Unterstützung beim Aufbau von Online-Plattformen an. Das Ganze wird von einer großen Marketingkampagne begleitet. Das Motto haben sich die Bochumer bei ihrem berühmten Sohn Herbert Grönemeyer geliehen: „Hier, wo das Wir noch zählt.“

Meyer ist davon überzeugt, dass die Krise des Einzelhandels und der Innenstädte ohnehin absehbar gewesen sei. „Die Pandemie hat den Prozess nur stark beschleunigt“, sagt er. Die dringend notwendige Digitalisierung der Stadtverwaltungen und der jeweiligen Serviceangebote sei ebenfalls in der Coronakrise offensichtlich geworden. Bochum hat hier bereits vor einiger Zeit reagiert und hierfür ein Start-up mitgegründet. „Die Shift Digital GmbH soll die Produkte anschließend auch andere Kommunen verkaufen“, meint Meyer. „Wir wollen als Stadt unternehmerisch tätig sein.“

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Bochum hat sich auf den Weg gemacht, die Krise hinter sich zu lassen. Dazu gehört auch, dass Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) unlängst vor dem Rat der Stadt versichert hat, die weggebrochenen Einnahmen nicht mit Steuererhöhungen kompensieren zu wollen. „Das ist ein wichtiges Signal“, sagt Revier-Wirtschaftsförderer Beck. „Wir brauchen starke Kommunen, die in Infrastruktur und Flächen investieren können.“ Die Entschuldung der Gemeinden hält er daher für den richtigen Weg.

Rasmus C. Beck, Geschäftsführer der Business Metropole Ruhr GmbH.
Rasmus C. Beck, Geschäftsführer der Business Metropole Ruhr GmbH. © FFS | Michael Gottschalk

Denn die Probleme, die das Ruhrgebiet vor Corona belasteten, sind nach Corona längst nicht gelöst. „Die Pandemie hat doch gezeigt: ohne Breitbandversorgung kann man nicht gut im Homeoffice arbeiten“, sagt Beck, „Wir brauchen eine Abdeckung von 100 Prozent.“ Der Ausbau des Radwegenetzes zu Radschnellwegen müsse genauso vorangetrieben werden wie der Ausbau des ÖPNV mit Bus und Bahn.

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Und da ist natürlich der gravierende Mangel an Gewerbeflächen, den Corona in einem ganz anderen Licht zeigt. „Wenn wir, wie bundesweit diskutiert, die Produktion von Medikamenten, Schutzkleidung und Beatmungsgeräten zurück nach Deutschland holen wollen, brauchen wir dafür Flächen“, betont Meyer. Er kann sich vorstellen, dass im Ruhrgebiet relevante Standorte für solche Produktionen entstehen können, um „auf etwaige Krisen, mit hier produzierten Produkten reagieren zu können. Unsere Möglichkeiten müssen wir jetzt gemeinsam identifizieren.“

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Das trifft auch auf die künftige EU-Förderung zu, die Regionen nicht mehr „mit der Gießkanne“ finanziell unterstützt, sondern den Maßstab der „intelligenten Spezialisierung“ anlegen will. Für Wirtschaftsförderer Beck heißt das: „Die Metropole Ruhr muss entscheiden, an welchen Standorten sie welche Branchen stärken will.“ Denn große Flächen seien knapp. Das Zukunftsthema Wasserstoff steht für ihn ganz oben auf der Wunschliste. „Im Ruhrgebiet produzieren Kokereien bereits Gas mit einem hohen Wasserstoff-Anteil“, sagt Beck. „Wir sollten es schaffen, dass dieser Wasserstoff auch verwendet wird und gerade im nördlichen Ruhrgebiet die bereits bestehende Infrastruktur weiter ausgebaut wird.“

Thyssenkrupp will in Zukunft Stahl CO2-frei mit Wasserstoff produzieren. Und die IG Metall hat ein Zusammengehen der deutschen Stahlhersteller ins Spiel gebracht. Das Ruhrgebiet könnte da eine zentrale Rolle spielen.