Essen. Corona gefährdet die Ausbildung: Viele Betriebe besetzen Stellen nicht oder streichen sogar bestehende. Dem Ruhrgebiet droht ein verlorenes Jahr.
Die Corona-Krise bedroht nicht nur Jobs, sondern auch bestehende Ausbildungsstellen. Und sie bremst massiv die aktuelle Vergabe neuer Lehrstellen zum Sommer. Damit drohen in diesem Jahr Tausende Jugendliche leer auszugehen, die eigentlich im August oder September ihre Ausbildung beginnen wollten. Am schwierigsten ist die Lage in den Ruhrgebietsstädten. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) in NRW betonte, im Ausbildungskonsens mit der Landesregierung dagegen etwas unternehmen zu müssen.
Den April-Zahlen zufolge sind landesweit noch 57.650 junge Menschen auf der Suche nach einer Lehrstelle. Gleichzeitig sind noch 54.843 gemeldete Ausbildungsplätze unbesetzt. Für diese Zeit sind das eigentlich gar keine so schlechten Werte, weil bis zum Sommer üblicherweise noch viele Verträge geschlossen werden. Doch üblich ist in der Corona-Krise nichts. „Viele Unternehmen sind derzeit damit beschäftigt, ihre Existenz zu sichern“, betont Torsten Withake, NRW-Chef der BA, „sie haben Entscheidungen zur Ausbildung erst einmal auf Mai oder Juni vertagt.“
Betriebe zögern mit der Einstellung von Azubis
Die Sorge ist nun, dass aus der Vertagung Streichungen werden. „Die Pandemie traf zur Unzeit auf den Ausbildungsmarkt, genau zur heißen Phase, in der viele Verträge geschlossen werden“, sagt Withake. Nach Einschätzung der Experten sind auch nicht nur neue Stellen in Gefahr, sondern auch jene der bereits aktiven Azubis. In „einigen Betrieben“ stünden „bestehende Ausbildungsverhältnisse auf der Kippe“, heißt es im NRW-Bericht der BA.
„Wir müssen alles tun, damit auch in diesem Jahr wieder viele neue Ausbildungsverhältnisse geschlossen werden. Zweitens müssen wir bestehende Ausbildungsverhältnisse sichern und stabilisieren“, betont Withake. Weil das nicht immer gelingen wird, gehe es auch darum, Azubis, deren Betriebe ihre Ausbildung nicht mehr fortsetzen können, woanders unterzubringen. Die BA bringe sich deshalb aktiv in den Ausbildungskonsens unter Federführung von Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ein.
Im Ruhrgebiet fehlen die meisten Lehrstellen
Wie in den vergangenen Jahren gab es vor allem im Ruhrgebiet auch vor der Zuspitzung der Corona-Krise bereits zu wenige Ausbildungsplätze für die Bewerber. Aktuell kommen auf fünf suchende Jugendliche nur vier Stellen, können in Südwestfalen fünf Bewerber unter sieben Stellen auswählen. Landesweit ist das Verhältnis fast genau eins zu eins. Das liegt vor allem daran, dass sich deutlich weniger Jugendliche um eine Lehre bewerben, in diesem Jahr sank die Bewerberzahl um 11,3 Prozent.
Am besten ist das Ausbildungsangebot in Mülheim mit 140 Stellen je 100 Bewerber. In Dortmund kommt rechnerisch immerhin gut eine Stelle auf einen Bewerber (105 je 100). Auch in Bochum (97) ist das Verhältnis fast ausgeglichen. In Essen (95), Bottrop (93) und Duisburg (91) stimmt die Relation von Ausbildungswilligen und Plätzen ebenfalls noch einigermaßen, wenngleich das Angebot nie so ganz zu den Wünschen der jungen Menschen passt. Und umgekehrt nicht immer die Qualifikation der Bewerber zu den Anforderungen der Ausbildung.
In Herne streiten zwei Bewerber um eine Stelle
In Oberhausen (78) und Hagen (72) ist das Angebot schon deutlich dünner, im Kreis Recklinghausen (66) konkurrieren rechnerisch schon drei Jugendliche um zwei Stellen. In Gelsenkirchen (60) und Herne (47) steht es besonders schlecht um die Ausbildungschancen der Jugendlichen.
Nun kommt in der Coronakrise als großes Risiko hinzu, dass viele Betriebe ihre ausgeschriebenen Stellen gar nicht besetzen wollen oder können. Die Unsicherheit, wie sich das Geschäft in den kommenden Monaten entwickelt, ist bei den meisten riesengroß. Das gilt vor allem für den Einzelhandel und die Gastronomie, aber auch für die Industrie, die stark von der Weltwirtschaft abhängig ist.