Essen/Münster. Handel: Bayerns Verwaltungsrichter erklären 800-Quadratmeter-Grenze für verfassungswidrig. Karstadt Sports strengt neues Eilverfahren in NRW an.

Die Corona-Regelungen für den Einzelhandel spalten auch die Gerichte: Der bayrische Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verkaufsverbot für große Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmetern für verfassungswidrig. Die Ungleichbehandlung größerer und kleinerer Läden sowie Ausnahmen der Flächenbegrenzung für einzelne Branchen werteten die Richter als „Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz“ (Aktenzeichen 20 NE 20.793).

Ob das Signalwirkung auch für die Regelungen in NRW hat und womöglich die Öffnung von ganzen Warenhäusern der angeschlagenen Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof ermöglichen könnte, bleibt aber offen. Zumal das niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) im Gegensatz zum bayrischen die 800-Quadratmeter-Begrenzung bestätigte – mit der Begründung, dies sei „eine notwendige infektionsschutzrechtliche Maßnahme“ (Az.: 13 MN 98/20).

NRW-Richter prüfen Argumente aus Bayern

Ob die bayrische Auslegung, die 800-Quadratmeter-Regelung behandle die einzelnen Händler ungleich, Auswirkungen auf entsprechende Entscheidungen in Nordrhein-Westfalen habe, beantwortete der Richter und OVG-Sprecher Dirk Rauschenberg im Gespräch mit unserer Zeitung zurückhaltend: „Natürlich wird sich der 13. Senat die Argumentation der bayrischen Verwaltungsrichter genau ansehen und diese berücksichtigen“, sagte er, „aber letztlich muss er eigenverantwortlich für NRW entscheiden.“

Auch interessant

Das OVG für NRW in Münster hat ebenfalls noch etliche Eilanträge gegen die Corona-bedingten Beschränkungen durch die Landesregierung auf dem Tisch liegen. Der zuständige 13. Senat bearbeite zuerst jene des Einzelhandels, dann um die Gastronomie und private Kontaktverbote, betonte Rauschenberg. Wegen der vielen Eilverfahren müssten die Richter sie priorisieren. Ganz zuletzt kümmere man sich um Sport-Angelegenheiten, bei denen es um das Verbot der Nutzung etwa von Golfplätzen oder Fitness-Studios geht.

Neuer Eilantrag von Karstadt Sports

Ein neuer Eilantrag ist am Montag aus dem in einem Schutzschirmverfahren ums Überleben kämpfenden Karstadt-Konzern hinzugekommen: Die Karstadt Sports GmbH hat ein Normenkontroll-Eilverfahren gegen die Corona-Schutzverordnung des Landes angestrengt (Az.: 13B579/20.NE). Galeria Karstadt Kaufhof und Karstadt Sports hatten erst vergangene Woche ihre Eilanträge gegen die Landesverordnung zurückgezogen, nachdem Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) großen Einzelhändlern erlaubt hatte, ihre Verkaufsflächen auf die erlaubten 800 Quadratmeter zu verkleinern, um doch öffnen zu können. Das haben die Galeria-Kaufhäuser inzwischen auch in NRW getan. Das Karstadt-Hauptverfahren gegen das grundsätzliche Verkaufsverbot auf größeren Flächen läuft aber noch.

Nun wenden sich zumindest die Sporthäuser auch gegen die neue Regelung per Eilverfahren, sprich gegen die Flächenbegrenzung. Das ergibt nach der bayrischen Entscheidung Sinn, weil es auch in NRW Ausnahmen für Händler anderer Branchen gibt. Bundesweit dürfen etwa Buch- und Fahrradhändler auch mit Flächen über 800 Quadratmetern öffnen, in NRW zudem auch Möbelhäuser und Babymärkte, weil die Landesregierung ihre in Ostwestfalen starke Möbelindustrie schützen will. Die Richter in München kamen zu dem Schluss, „die Freistellung von Buchhandlungen und Fahrradhändlern ohne Begrenzung der Verkaufsfläche“ sei „aus infektionsschutzrechtlicher Sicht sachlich nicht gerechtfertigt“.

Söder tritt eher noch stärker auf die Bremse

Die Verwaltungsrichter in Bayern stellten freilich nur die Verfassungswidrigkeit fest, setzten die Vorschrift wegen der Pandemie-Notlage aber „ausnahmsweise“ nicht außer Kraft, wie es in der Mitteilung hieß. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will trotzdem reagieren und kündigte Korrekturen für die kommende Woche an. Söder wertete die Entscheidung nicht als Kritik am Kurs der Staatsregierung, sondern als Präzisierung. „Und die werden wir dann natürlich entsprechend umsetzen und auch vornehmen“, sagte er. Genauer wurde er nicht, klang aber eher so, dass er die vom Gericht beanstandeten Ausnahmen streichen wolle als umgekehrt alle großen Läden öffnen zu lassen.