Hagen. Seit den jüngsten Corona-Anordnungen bleiben Physiotherapeuten die Patienten aus. Der Bundesverband fordert massive Hilfe von den Krankenkassen.

Von Jens Helmecke

Hagen. Man könnte meinen, der Ruf nach finanziellen Hilfen für die Wirtschaft breitet sich beinahe so schnell aus wie das Coronavirus selbst. Kaum eine Branche, die sich nicht von Masseninsolvenz bedroht sieht. Tatsächlich gibt es heute schon viele Verlierer in der Krise. Die Physiotherapeuten zählen sich in jedem Fall dazu. Obwohl sie noch praktizieren dürfen, leeren sich ihre Praxen. Der Bundesverband spricht von Einbrüchen zwischen 60 und 90 Prozent seit vergangener Woche. „Auch wir brauchen einen Rettungsschirm“, sagt Ursula Cüppers-Böhle, Geschäftsführerin des Deutschen Verbands für Physiotherapie (ZVK).

Seit einer Woche geht es abwärts

Beim Besuch der Praxis des Hageners René Tönnes fällt auf: Viele freie Behandlungszimmer, keins der modernen Trainingsgeräte ist in Benutzung. „Mit den massiven Ausgangsbeschränkungen in der vergangenen Woche ging es rapide bergab“, sagt Physiotherapeut Tönnes, der den Aufruf des Bundesverbandes unterstützt.

Wie Physiotherapeuten sind auch Ergotherapeuten, Logopäden oder Podologen (alle sogenannte Heilmittelerbringer) betroffen. Sie alle gelten als relevant für das Gesundheitssystem. Aber anders als Krankenhäuser und Rehakliniken, werden sie im Rettungspaket, das der Bundestag am Mittwoch beschlossen hat und das heute (Freitag) im Bundesrat zur Abstimmung steht, nicht berücksichtigt. Dies bestätigt auch das NRW-Gesundheitsministerium.

Soforthilfen von Bund und Land als echte Zuschüsse gäbe es auch für Praxen wie die von Tönnes. „Das Förderprogramm ist grundsätzlich branchenoffen, das heißt es gibt keinen Ausschluss bestimmter Branchen“, teilt ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums auf Anfrage dieser Zeitung gestern noch einmal ausdrücklich mit. Das Land Nordrhein-Westfalen hat diese Hilfen gerade noch einmal aufgestockt.

Kassen sparen gerade viel Geld

Geld, das auch die Physiotherapeuten gebrauchen könnten. „Einige ältere Patienten haben verständlicherweise Termine abgesagt. Präventionskurse sind bei uns auf null zurückgefahren“, beschreibt Tönnes die Lage stellvertretend für die Branche. Elf Beschäftigte in seiner Praxis kümmern sich nun in Wechselschichten um die Patienten. Um zu viele Kontakte zu vermeiden, aber auch, weil Kundschaft ausbleibt. Tönnes hat bereits Kurzarbeit angemeldet. Wie viele andere Unternehmer aus unterschiedlichsten Branchen lobt er das Regierungshandeln: Kurzarbeitergeld, Liquiditätshilfen, Steuererleichterungen, alles möglichst unbürokratisch angedacht. Auch die Soforthilfen, mit denen Tönnes beispielsweise die durch Kurzarbeit entstehende Lohnlücke etwas aufstocken könnte. Wie die Praxis aussieht, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.

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Dem Bundesverband geht es aber um mehr als 15. Bis 25.000 Euro Zuschuss pro Praxis. „Die Krankenkassen sparen gerade verdammt viel Geld. Das sollten sie den Leistungserbringern zur Verfügung stellen. Wir sind jetzt schon im Akut-Stadium“, warnt ZVK-Geschäftsführerin Cüppers-Böhle vor dem Verlust wichtiger Infrastruktur im Gesundheitssystem. Sprich: Massenweise Schließungen von Praxen.

Der laute Ruf der sogenannten Heilmittelerbringer scheint zumindest nicht ganz ungehört geblieben zu sein. Wir sehen, dass dieCorona-Krise auch für die Heilmittelerbringer eine große, ja teilweise existenzielle Herausforderung ist. Parallel zu den Beschlüssen dieser Woche gibt es Gespräche sowohl bei der Politik als auch bei den Krankenkassen, in wie weit über diese staatlichen Hilfen hinausgehende Hilfen notwendig und möglich sind“, heißt es vom Spitzenverband der Gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen, GKV.

Gleichstellung mit Ärzten

Der Spitzenverband der Heilmittelverbände (SHV) fordert eine Gleichstellung mit Ärzten des COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetzes zu übernehmen, wie es in dieser Woche im Bundestag beschlossen wurde und am Freitag voraussichtlich vom Bundesrat bestätigt wird.

Der Verband SHV sieht die Gesetzlichen Kassen in der Pflicht, den Umsatzausfall (zumindest teilweise) auszugleichen.