Essen. Die Grundrente ist besser als nichts. Doch sie bekämpft Altersarmut mit der Gießkanne. Die Hilfe am nötigsten hätten, gehen oft leer aus.

Wenn die Rentenversicherung die Entwürfe für Mindestrenten in Seminarunterlagen mit den Worten „...was bisher nicht geschah“ einleitet, ist fast alles gesagt: Seit 2009 hat jede Bundesregierung versprochen, Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, eine auskömmliche Rente zu geben. Von der Leyens Lebensleistungsrente und Nahles’ Solidarrente landeten im Schredder, Heils Grundrente drohte ebenfalls noch zu scheitern. Dass die Bundesregierung sie nun doch auf den Weg gebracht hat, ist deshalb für sich eine gute Nachricht. Zumindest jede dritte Regierung hält ihr Versprechen, etwas gegen Altersarmut zu tun. Und einige arme Rentner, vor allem Frauen, werden davon profitieren.

Es wird nicht nach Vermögen gefragt

Trotzdem wurde leider nicht gut, was lange währte. Heils Grundrente werden viele Menschen erhalten, die keiner Hilfe bedürfen, aber viele nicht, die wirklich arm sind. Die SPD hat sich erfolgreich gegen eine Bedürftigkeitsprüfung gewehrt, wie sie die Sozialämter und Jobcenter vornehmen. Zwar werden weitere Einkünfte auf die Grundrente angerechnet, aber nicht nach Vermögen oder Immobilien gefragt. Wer etwa 1500 Euro Einkommen im Monat hat und im Eigenheim wohnt, müsste davon leben können. Künftig erhält er noch ein paar Euro Rente dazu. Das sei ihm gegönnt, aber viele andere hätten es deutlich nötiger.

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Auf wie viele der rund 1,3 Millionen Rentner das zutrifft, die laut Regierung ab kommendem Jahr Anspruch auf die Grundrente haben, weiß niemand so genau. Weil es niemand prüft. Das verstößt aber gegen das Grundprinzip jeder Solidargemeinschaft. Wenn die Gemeinschaft, in diesem Fall die der Steuerzahler, Menschen unterstützt, muss der Staat auch dafür sorgen, dass die Hilfe bei denen ankommt, die sie wirklich brauchen.

Hunderttausende arme Rentner gehen leer aus

Stefan Schulte, Leiter der Wirtschaftsredaktion
Stefan Schulte, Leiter der Wirtschaftsredaktion © FUNKE Foto Services | Dana Schmies

Doch tatsächlich gehen Hunderttausende arme Rentner leer aus. Nämlich alle, die nicht auf 33 Beitragsjahre kommen, etwa weil sie längere Zeit arbeitslos waren. Wer dagegen 33 Beitragsjahre vorweisen kann, aber nur sehr wenig in die Rentenversicherung eingezahlt hat, erhält dagegen zumindest mehr Grundsicherung im Alter. Dass etwa ein Teilzeitjobber nach 33 Jahren mehr bekommt als eine Vollzeitkraft nach 32 Jahren, ist alles andere als gerecht. Egal, wo man die Grenze zieht, sie ist immer willkürlich. Nach Beitragsjahren gestaffelte Zuschläge wären daher richtig gewesen. Weil sie aus Steuern finanziert werden, gehören sie allerdings in die Grundsicherung statt in die Rentenversicherung. Deren Versicherungsprinzip, das aus Beiträgen Ansprüche erwachsen, wird durch die neue Grundrente weiter ausgehöhlt.

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Die SPD wollte erkennbar möglichst vielen Menschen ihre Grundrente zukommen lassen, weil sie auf dankbare Wählerstimmen hofft. Die Kosten von rund 1,3 Milliarden Euro zum Start sind in der Tat auch gut vertretbar. Die von der Union durchgesetzte mehrfache Anhebung der Mütterrente kostet ein Vielfaches – und kommt ausgerechnet nicht bei den armen Rentnerinnen an, weil sie von der Grundsicherung im Alter abgezogen wird. Doch Altersarmut ist ein Problem, das in den kommenden Jahren kontinuierlich wachsen wird – und damit auch die Kosten der Grundrente. Umso wichtiger wäre es gewesen, die Hilfe auf jene zu beschränken, die sie wirklich brauchen.