Essen. Bei Evonik demonstrieren Ministerpräsident, Konzernchef, Betriebsrat und Gewerkschaft den Schulterschluss: Mitbestimmung stärkt die Gesellschaft.
Als die Mitbestimmung am 4. Februar 1920 Gesetzeskraft erlangte, war sie hoch umstritten. 100 Jahre später ist von den damaligen schweren Auseinandersetzungen nichts mehr zu spüren. CDU-Ministerpräsident, Evonik-Konzernchef, Gewerkschafts- und Betriebsratsboss demonstrierten am Dienstag in Essen Einigkeit und Schulterschluss: An der Mitwirkung von Arbeitnehmern im Unternehmern will heute niemand mehr rütteln.
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Armin Laschet schlüpfte bereits während der Thyssenkrupp-Krise in die Rolle des heimlichen Arbeiterführers. „Die Mitbestimmung war bei Thyssenkrupp das stabilisierende Element, als andere weg waren“, sagte der Regierungschef auch am Dienstag im Hinblick auf den rasanten Manager-Wechsel beim Essener Industriekonzern in jüngerer Vergangenheit. „Nordrhein-Westfalen ist nicht trotz, sondern gerade wegen dieser Mitbestimmung auf Augenhöhe einer der führenden Industriestandorte“, sagte der NRW-Ministerpräsident jetzt bei einer Feierstunde anlässlich des 100. Jahrestages nach Inkrafttreten des Betriebsrätegesetzes. Und der CDU-Politiker blickte bereits in die Zukunft: „Deshalb wollen und werden wir gemeinsam mit den Unternehmen und den Beschäftigten in unserem Land die Erfolgsgeschichte der betrieblichen Mitbestimmung in der digitalen Wirtschaft des 21. Jahrhunderts fortschreiben.“
Evonik-Chef Kullmann: Sozialpartnerschaft hat Zukunft
Die Vorgängergesellschaften des Essener Chemiekonzerns Evonik zählten zu den Vorreitern der Mitbestimmung in Deutschland. Der amtierende Vorstandsvorsitzende Christian Kullmann bezeichnete die Mitbestimmung am Dienstag als „Rückgrat für sozialen Frieden und wirtschaftlichen Erfolg“. Das „Modell der Sozialpartnerschaft“ habe Zukunft. Der Evonik-Chef: „Nicht das mitunter laute Getöse von Interessengruppen macht Land und Wirtschaft besser, sondern der vernünftige Ausgleich unterschiedlicher Interessen – der Kompromiss.“ Er wisse durchaus zu schätzen, dass der letzte große Streik in der Chemie-Branche 1971 stattfand. „Da habe ich im Kindergarten mit Bauklötzen gespielt“, so Kullmann mit Blick auf die lange streikfreie Zeit, die seither ins Land ging.
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Auch Martin Albers, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats bei Evonik, unterstrich die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Mitbestimmung. „Grundlegender ökonomischer, sozialer und ökologischer Fortschritt ist nicht gegeneinander, sondern nur gemeinsam erreichbar“, sagte Albers. Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE), sieht misst der Arbeit von Betriebsräten eine noch größere Bedeutung zu: „Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft stehen für eine demokratische Gesellschaft, für faire Interessenwahrung und gerechte Teilhabe am Erfolg“, sagte Vassiliadis. „Damit sind sie auch heute eine starke Antwort auf Rücksichtslosigkeit, Ausgrenzung und Versuche, durch Hass und Gewalt unsere Gesellschaft zu spalten.“