Essen/Bochum. Nach dem Dieselskandal verhandelt VW über einen Vergleich für geschädigte Kunden. 400.000 können nun auf eine Entschädigung hoffen.

Gut vier Jahre nach Auffliegen des Diesel-Abgasskangerechtigkeitdals bei Volkswagen können hunderttausende benachteiligte Kunden in Deutschland doch noch auf eine Entschädigung hoffen. Nachdem sich der Autobauer lange verweigert hatte, verhandelt VW nun mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Das bestätigten beide Seiten am Donnerstag.

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„Gemeinsames Ziel von vzbv und Volkswagen ist eine pragmatische Lösung im Sinne der Kunden“, hieß es in der kurzen Mitteilung. Die Gespräche seien in einem sehr frühen Stadium. „Ob es zu einem Vergleich kommt, ist offen.“ Klaus Müller, Chef des vzbv, begrüßte die Verhandlungen über einen Vergleich, die VW noch Mitte November als „kaum vorstellbar“ bezeichnet hatte. In den Diesel-Skandal komme nun „neue Bewegung“, sagte Müller.

Über 400.000 Geschädigte bei der Sammelklage

In einem Musterprozess vor dem Oberlandesgericht Braunschweig vertreten die Verbraucherzentralen über 400.000 VW-Kunden, die wegen manipulierter Abgassoftware und einem damit einher gehenden Wertverlust ihrer Fahrzeuge auf Entschädigungen pochen. Im November hatte der Vorsitzende Richter Michael Neef Volkswagen aufgefordert, über Vergleichsverhandlungen nachzudenken. Das lehnte Deutschlands größter Autobauer ab. Über Weihnachten kam nun die Wende.

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Denn Volkswagen steht unter Druck. Der Konzern sieht sich nicht nur der Sammelklage ausgesetzt. Kunden, die sich durch den Dieselskandal getäuscht fühlen, sind auch zu Tausenden auf eigene Faust vor Gericht gezogen, um Schadenersatz für den gesunkenen Wiederverkaufswert ihrer Autos zu erstreiten. Weit mehr als 1000 Mandanten vertritt die Bochumer Kanzlei Jordan Fuhr Meyer. Nach Angaben von Rechtsanwalt Jochen Struck oftmals mit positivem Ausgang für die Klienten und zu Lasten von VW.

Bochumer Kanzlei gegrüßt Verhandlungen über Vergleich

An der Sammelklage hat sich die Kanzlei bewusst nicht beteiligt. Gleichwohl begrüßt Struck die Annäherung im Dieselstreit. „Ein Gesamtvergleich ist möglicherweise die einzige Hoffnung, die die im dortigen Verfahren teilnehmenden VW-Geschädigten haben können“, sagte der Jurist der WAZ. Ob die über 400.000 Kunden, die unter den jetzt angestrebten Gesamtvergleich fallen, mit ebenso hohen Entschädigungen rechnen können, sei indes offen. Über mögliche Konditionen haben VW und die Verbraucherzentrale Stillschweigen vereinbart.

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Der Automobilclub ADAC teilte mit, dass die Verhandlungen über einen Vergleich das Verfahren deutlich beschleunigen könnten. „Ein Prozess hätte sich über gut zwei Jahre hinziehen können, ein Vergleich kann aber noch in der ersten Jahreshälfte 2020 geschlossen werden“, sagte ADAC-Chefjurist Markus Schäpe. VW müsse aber „ein faires Angebot vorlegen und keine Symbolpolitik betreiben“.

Ähnlich äußerte sich der SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner. „VW sollte jetzt nicht lange taktieren, sondern den betroffenen Verbrauchern schnell ein faires Angebot machen“, sagte Fechner dem „Handelsblatt“. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Heribert Hirte sagte dem Blatt hingegen, eine Schattenseite dieses Vorgehens sei, dass bei einem Vergleich „die Hintergründe des Vorgehens der Automobilindustrie möglicherweise nie geklärt werden“.

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Der Autoexperte Stephan Bratzel sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, VW stünden bei einem Vergleich hohe Zahlungen bevor: „Angesichts der Millionen von betroffenen Autobesitzern in Deutschland muss VW bei einem Vergleich mit Milliardenzahlungen rechnen“, sagte Bratzel vom Automotive-Center in Bergisch Gladbach.