Düsseldorf. Obwohl die Rufe nach Klimaschutz immer lauter werden, steigt die Zahl der Fluggäste von Jahr zu Jahr. Was die Branche tun will, um CO2 zu sparen.
Flugscham, Verzicht, Umstieg auf die Bahn? Thomas Schnalke schüttelt den Kopf. Am Flughafen Düsseldorf, dessen Chef er ist, registrierte er in diesem Jahr ein Wachstum des Passagieraufkommens um fünf Prozent auf rekordverdächtige 25,5 Millionen. „Die Menschen möchten Mobilität und sie wollen auch in den Urlaub fliegen“, sagt Schnalke. Aus diesem Grund rechnet die gesamte Luftfahrt-Branche auch künftig mit rasanten Wachstumsraten, die sie zugleich vor ein Dilemma stellen. Auch sie muss ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten und hat das Ziel formuliert, bis zum Jahr 2050 CO2-neutral zu sein.
„Die Frage ist, wie wir Klimaschutz mit dem wachsenden Luftverkehr in Einklang bringen“, sagt Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Anders als die Autoindustrie kann seine Branche nicht allein auf klimafreundliche Elektroantriebe setzen. „Für einen Flug von Düsseldorf nach New York bräuchten wir eine Batterie, die 250 Tonnen schwer ist“, erklärt Julia Werner, Airbus-Kapitänin bei der Lufthansa-Tochter Eurowings.
Michael Sillus, Innovationsmanager beim europäischen Hersteller Airbus, rechnet damit, dass das erste rein elektrische Flugzeug mit 100 Sitzplätzen frühestens in 15 Jahren abheben wird. Airbus will demnächst einen Prototyp testen, der neben konventionellen auch über ein elektrisches Triebwerk verfügt.
Das Zukunftsprojekt für die Luftfahrtbranche heißt deshalb synthetisches Kerosin, dem das klimaschädliche CO2 bereits bei der Herstellung entzogen wird. BDL-Verbandschef von Randow räumt der strombasierten Produktion aus Wind- und Sonnenenergie die besten Chancen ein. „Gegenwärtig ist dieser Kraftstoff aber nur im Labormaßstab verfügbar“, sagt er und fordert von der Bundesregierung „mehr Mut und Entschlossenheit“, die Forschung finanziell zu unterstützen. Von Randow schlägt vor, Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer dafür zu verwenden. Als Bestandteil des Klimapakets erhöht die Bundesregierung die Abgabe zum 1. April 2020. Dadurch werden jährliche Mehreinnahmen von 750 Millionen Euro erwartet.
Stellschraube ist das Kerosin
Das Kerosinist für die Luftfahrt in mehrfacher Hinsicht eine entscheidende Stellschraube. Zehn Millionen Tonnen pro Jahr werden allein in Deutschland in den Triebwerken verbrannt. Nach Angaben von Eurowings-Geschäftsführer Frank Bauer macht der Kraftstoff zwischen 25 und 35 Prozent aller Kosten seines Unternehmens aus. Um Sprit zu sparen, sei seine Airline permanent auf der Suche nach Möglichkeiten, das Gewicht in den Flugzeugen zu reduzieren. „Wir haben sogar unser Bordmagazin auf leichteres Papier umgestellt“, so Bauer.
Für Kapitänin Julia Werner nimmt das Kerosin-Management bei Flügen inzwischen einen großen Teil ihrer Arbeit ein. Fünf Minuten die Klimaanlage abzuschalten, bringe schon etliche Kilogramm Ersparnis, ebenso wie Abkürzungen zu nehmen oder mit gedrosselter Geschwindigkeit zu fliegen, sofern die Flugsicherung da mitspiele. „Wir sind uns sehr bewusst, wie man mit dem Sprit umgeht“, sagt Werner.
Treibstoffverbrauch geht zurück
Seit 1990 sei der Treibstoffverbrauch pro Passagier und 100 Kilometer von 6,3 auf 3,6 Liter zurückgegangen, rechnet der Verband BDL vor. Das sei auf kleine Maßnahmen, aber auch auf die Optimierung von Flugwegen zurückzuführen. „Entscheidend ist aber der Einsatz moderner Flugzeuge“, meint Eurowings-Chef Bauer. Ein neuer Airbus A350 etwa verbrauche ein Drittel weniger Sprit als seine Vorgänger-Modelle. Doch ein neuer Flieger dieser Größenordnung habe auch seinen Preis: 130 Millionen US-Dollar laut Liste. Die Investitionen sind beträchtlich, wenn Eurowings ihre Flotte mit mehr als 100 Flugzeugen stets auf dem neuesten Stand halten will.
„Wir sind kein Energiekonzern. Aber Energie ist unser wichtigster Hebel“, sagt Michael Sillus, Innovationsmanager bei Airbus. „Gewicht aus dem Flugzeug zu bekommen“ sei vordringliches Ziel des Unternehmens. So komme beim Innenausbau inzwischen etwa künstliche Spinnenseide zum Einsatz, extrem glatte Oberflächen sollen den Windwiderstand minimieren. Und Airbus will nach Sillus’ Angaben „von der Natur lernen“. Flexible Tragflächen, die sich wie Vögel ihrer Umgebung anpassen können, seien bereits in der Erprobung.
Aber auch am Boden soll sich etwas tun. Im Sommer hatten mehr als 90 europäische Flughäfen zugesagt, spätestens im Jahr 2050 CO2-neutral zu sein. Dazu zählt auch Düsseldorf. Für die Verbesserung seiner Klimabilanz hat der Airport bereits mehrere Auszeichnungen erhalten. Geschäftsführer Schnalke kündigt einen „Masterplan Klimaschutz“ an, der Ende 2020 verabschiedet werden soll. Dazu gehöre die Umstellung des gewaltigen Fahrzeugparks auf alternative Antriebe und die Nutzung erneuerbarer Energien. Allein die Klimatisierung des 400 Meter langen gläsernen Terminals sei eine Herausforderung für den Flughafen. Der Geschäftsführer: „Wir müssen uns auf den Hosenboden setzen.“