Essen. Bundesweit sinkt die Zahl überschuldeter Menschen, nicht aber in NRW und im Ruhrgebiet. Mehr alte Menschen können Rechnungen nicht bezahlen.

Während die Zahl überschuldeter Menschen in diesem Jahr bundesweit leicht zurück gegangen ist, wächst sie in Nordrhein-Westfalen weiter an. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform, die am Donnerstag ihren aktuellen Schuldneratlas in Düsseldorf vorlegte, sorgt sich insbesondere um die Entwicklung im Ruhrgebiet. In Herne etwa liegt die Überschuldungsquote mit 18,26 Prozent am höchsten und ist damit im Vergleich zum Bundesschnitt von zehn Prozent nahezu doppelt so hoch.

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Obwohl die Arbeitslosigkeit sinkt und die wirtschaftlichen Daten in der Region besser werden, kommen die Autoren des Schuldneratlas zu einer ernüchternden Analyse: „Das Ruhrgebiet bleibt mit seinen zum Teil noch altindustriell geprägten, strukturschwachen Regionen der ,Brennpunkt’ sozialer Problemlagen in Deutschland“, schreiben sie. „Hohe Arbeitslosigkeit, Einkommensarmut und hohe soziale Transferleistungen bilden eine prekäre Gemengelage, die die Regionen um das Ruhrgebiet zum eigentlichen ,Sorgenkind’ der Überschuldungsentwicklung machen – Tendenz weiter zunehmend“, heißt es im Schuldneratlas.

Revierweit leben die meisten überschuldeten Menschen in Herne (18,26 Prozent), dicht gefolgt von Gelsenkirchen (17,97), Duisburg (17,52) und Oberhausen (15,27). Am geringsten und im Vergleich zum Vorjahr sogar rückläufig ist die Quote mit 11,61 Prozent in Mülheim. Und dennoch leben in der Ruhrstadt mehr Menschen mit hohen Schulden als im Durchschnitt der Bundesrepublik. Positiv sticht vor allem Dortmund heraus. Die Schuldnerquote liegt in der Westfalenmetropole mit 14,33 Prozent zwar immer noch recht hoch. Im Vergleich zum Vorjahr (14,44 Prozent) ging die Zahl der Betroffenen aber deutlich zurück.

Deutschlandweit sank die Quote erstmals seit fünf Jahren. Dennoch sind immer noch 6,92 Millionen Menschen nicht in der Lage, ihre Rechnungen zu bezahlen. 1,75 Millionen von ihnen leben in NRW. Das entspricht einer Quote von 11,72 Prozent. Schlechter schnitten unter den Bundesländern nur noch Berlin, Sachsen-Anhalt und vor allem Bremen ab. Am niedrigsten ist die Überschuldungsquote in Bayern mit 7,31 Prozent.

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Für die bundesweite Entspannung macht Creditreform die deutlich gesunkene Arbeitslosigkeit verantwortlich, warnt aber zugleich vor übertriebenem Optimismus. Aufgrund der sich eintrübenden Konjunktur erwarten die Experten der Wirtschaftsauskunftei schon wieder ein baldiges Ende des positiven Trends. Dabei zeigt sich das Land gespalten: Im Langzeit-Vergleich zum Jahr 2004 stieg die Zahl der Überschuldeten im Westen um 470.000 Fälle oder 123 Prozent. Im Osten dagegen gab es 10.000 Betroffene oder 24 Prozent weniger. Creditreform erklärt die Entwicklung allerdings mit dem Bevölkerungsschwund, unter dem ostdeutsche Bundesländer leiden.

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Die Auskunftei beobachtet mit Sorge, dass immer mehr ältere Menschen in die Schulden-Spirale geraten. Anders als in jüngeren Altersgruppen sei die Zahl verschuldeter Rentner, die 70 Jahre und älter sind, in diesem Jahr rasant um 45 Prozent auf 381.000 gestiegen. „Besonders prekär ist, dass die Senioren höhere Schulden bei geringerem Einkommen haben und damit weniger Chancen, der Überschuldungsspirale zu entkommen“, heißt es im Schuldneratlas.

Der Vergleich zum Jahr 2013 fällt noch drastischer aus. Danach erhöhte sich die Zahl überschuldeter Senioren um 243 Prozent. Michael Bretz, Leiter Wirtschaftsforschung bei Creditreform, spricht von einer „besorgniserregenden Entwicklung“. Nach seiner Einschätzung reicht für eine wachsende Zahl älterer Menschen die Rente nicht mehr aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.