Noch schreibt Home24 rote Zahlen. Mitgründer Marc Appelhoff glaubt dennoch an den Onlinehandel und das Sterben von Möbelhäusern.
Herr Appelhoff, Sie sind gerade zum Vorstandschef von Home24 ab 2020 berufen worden. Ist der Job angesichts der roten Zahlen, die Ihr Unternehmen schreibt, Freude oder Bürde?
Marc Appelhoff: Ich hätte das Amt nicht angenommen, wenn ich mir nicht sicher wäre, dass wir das als Team hinbekommen werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir unser Wachstumsziel von 18 Prozent oder mehr in diesem Jahr erreichen und im vierten Quartal in den schwarzen Zahlen sein werden. Nach unserem Börsengang und einem insgesamt herausfordernden Jahr 2018 hätten wir dann einen wichtigen Meilenstein erreicht.
Nur sechs Prozent des Umsatzes im deutschen Möbelhandel läuft über das Online-Geschäft. Glauben Sie, dass der Anteil deutlich zu steigern ist?
Absolut. Der Möbelhandel liegt weit hinter anderen Branchen wie Mode, Schuhe, Spielwaren oder Elektronik zurück. Sie kommen bereits auf einen Online-Anteil von 15 bis 30 Prozent. Wir sehen aber auch in den USA und Großbritannien, dass bereits mehr als 15 Prozent des Möbelumsatzes online erlöst werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich auch die Kunden in Deutschland von den Vorteilen des Online-Kaufes überzeugen lassen werden. Wer will schon den Samstag opfern, um im Möbelhaus auf der grünen Wiese nach Möbeln zu suchen und dann nur eine geringe Auswahl vorzufinden, die wenig begeistert?
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Ist die Auswahl bei Home24 größer?
Wir führen Möbel und Accessoires in vielfältigen Stilrichtungen und für jedes Budget. So kann sich der Kunde bei uns selbst verwirklichen statt Kompromisse einzugehen. Mehr als die Hälfte des Umsatzes machen wir mit unseren Eigenmarken, dabei nehmen wir Zwischenhändler raus und kaufen direkt von der Fabrik. Die Ersparnis dieses direkten Weges teilen wir auch mit den Kunden, in dem wir attraktive Preise und kostenlose Lieferung anbieten.
Seit Ihrem Börsengang im vergangenen Jahr ist der Aktienkurs von Home24 um 80 Prozent eingebrochen. Sehen die Märkte die Zukunft des Onlinehandels mit Möbeln nicht so positiv wie Sie?
Nein. Schauen Sie sich Maison du Monde in Frankreich oder DFS in Großbritannien an, die bereits profitabel wirtschaften. Wir bei Home24 haben im vergangenen Jahr unter dem heißen Sommer gelitten und vor allem mit unseren hausgemachten IT-Problemen zu kämpfen gehabt, beides unmittelbar nach dem Börsengang mehr als unglücklich. Von diesen Sondereffekten haben wir uns mittlerweile erholt und streben das beim Börsengang gesetzte Ziel der bereinigten EBITDA-Profitabilität (Gewinn aus dem laufenden Geschäft, Anm. der Red.) Ende dieses Jahres an.
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Wie wollen Sie denn potenziellen Kunden schmackhaft machen, ausgerechnet Möbel im Netz zu kaufen? Will man vor dem Kauf das neue Sofa nicht besser ausprobieren?
Im Netz sollte der Kunde kaufen, der nicht auf ein limitiertes Angebot zu intransparenten Preisen zurückgreifen will. Wer sein neues Wunschsofa ausprobieren möchte, kann dies in einem unserer neun Showrooms, zum Beispiel in Düsseldorf, auch tun. Dort stehen unsere beliebtesten Modelle. Über unsere App können Sie zudem das ausgesuchte Sofa virtuell in Ihr Wohnzimmer projizieren und sehen, ob es in die Umgebung passt, oder kostenlose Stoffmuster bestellen. Vor zehn Jahren, als der Online-Textilhändler Zalando gestartet ist, hat auch niemand für möglich gehalten, Schuhe zu bestellen, ohne sie vorher anzuprobieren. Heute ist das Alltag.
Was passiert denn mit der Schrankwand, wenn sie nicht passt oder nicht gefällt?
Die Schrankwand bauen Sie wieder ab und schicken Sie an uns zurück. Sowohl Versand als auch Retoure sind bei uns immer kostenlos – anders als bei unseren Mitbewerbern. Wir haben eine Retourenquote von rund zehn Prozent, dies ist Teil unseres Konzeptes. Die zurückgeschickten Möbel verkaufen wir dann mit einem Preisnachlass von 50 bis 60 Prozent in unseren fünf Outlets. Im Rhein-Ruhr-Gebiet findet man Outlets in Bottrop und in Köln. In Möbelhäusern können Sie übrigens die Schrankwand gar nicht stornieren oder zurückgeben, wenn Sie sich zum Beispiel vermessen haben.
Funktioniert Möbelhandel rein online dann doch nicht, wenn Showrooms und Outlets zu Ihrem Konzept gehören?
Showrooms und Outlets zu haben, ist für Onlinehändler sinnvoll. Bei größeren Anschaffungen wollen sich viele Kunden die Möbel vorher anschauen, und so können wir einen persönlichen Draht zu unseren Kunden pflegen.
Was wissen Sie über Ihre Kunden, wer bestellt bei Home24?
Zwei Drittel unserer Kunden sind weiblich, außerdem beobachten wir, dass sich eine überwiegende Mehrheit unserer Kundschaft im Nestbauer-Alter zwischen 25 und 55 Jahren befindet. Deshalb erweitern wir auch gerade unser Angebot an Möbeln für Kleinkinder und Jugendliche. Am Ende kaufen bei uns aber vor allem die Kunden, denen ein gutes Preis-Leistungsverhältnis wichtig ist und, die eben keine Kompromisse im Möbelhaus eingehen wollen.
Viele mittelständische Möbelhändler haben aufgegeben, Ikea hat seine Expansionspläne im Ruhrgebiet begraben. Ist nun auch die Hochzeit der großen Möbelhäuser vorbei?
Lokale Möbelhändler-Oligopole haben über viele Jahrzehnte sehr viel Geld verdient. Weil es kaum Konkurrenz gab, hatten sie gewaltige Margen. Inzwischen prägen Ikea, XXXLutz und Höffner den deutschen Markt mit großen Standorten. Es wird ein weiteres Möbelhaus-Sterben geben, weil es insgesamt zu viel Verkaufsfläche gibt, und der Kunde nicht mehr raus aus der Stadt fahren will. In den großen Städten haben viele Bewohner ja nicht mal mehr ein Auto. Ikea macht da einen guten Job. Sie planen in Zukunft auch Showroom-artige Läden in den Innenstädten und folgen dem Kunden.
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Wer ist der größte Rivale von Home24?
Otto hat einen Möbel-Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro, insofern gibt es durchaus eine Überschneidung. Wir sehen uns mit unserem handverlesenen Sortiment mit besten Preisen jedoch recht schlagkräftig aufgestellt. Es gibt keine analoge reine Möbel-Plattform. Home24 hat hier die größte Markenbekanntheit.
Sie haben im Jahr 2009 fashion4home gegründet, das dann 2015 mit Home24 fusionierte. Würden Sie heute noch einmal ein Unternehmen gründen?
Die zehn Jahre waren eine spannende Achterbahnfahrt, die jeder Unternehmer kennt. Zum Glück vergisst man die schlechten Nachrichten und erinnert sich meist an die guten, deshalb würde ich es sicher wieder tun.
Sie waren in der vergangenen Woche Gast des Gründergipfels Ruhr-Summit in Bochum. Was haben Sie den jungen Start-ups geraten?
Gründer brauchen Geduld und müssen sicherstellen, dass ihr Angebot gut zu dem passt, was ihre Kunden wollen, bevor schnell skaliert wird.
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Home24 sitzt in Berlin. Zwischen den Gründerszenen in der Hauptstadt und im Ruhrgebiet hat sich eine Rivalität entwickelt. Was kann das Revier aus Ihrer Sicht besser machen?
Das ist kein Wettbewerb. Wir unterstützen uns gegenseitig, um das Potenzial der digitalen Entwicklung zu nutzen. Es gibt sehr viele Talente im Ruhrgebiet und auch die richtige Arbeitermentalität. Jetzt muss aber auch die Politik mitmachen und gute Rahmenbedingungen für Start-ups schaffen. Dabei geht es nicht unbedingt um Geld, Unterstützung kann auch in Form von günstigeren Mieten für Räume und einer Entbürokratisierung bei der Gründung und den Folgekosten erfolgen.
Sie sind in Essen aufgewachsen und als Fan noch heute häufiger im Dortmunder Fußball-Stadion anzutreffen. Hat der BVB eine Chance, deutscher Meister zu werden?
Meine Eltern leben noch heute in Essen und wir haben seit 1992 Dauerkarten für die Süd-Tribüne in Dortmund. Mir gefällt die Mentalität im Ruhrgebiet. Dazu gehört auch, dass man Stolpern und Niederlagen in Kauf nimmt. Ich wünsche mir, dass der BVB sich auf die Tugenden zurückbesinnt, die ihn von 1994 bis 1997 so erfolgreich gemacht haben – dazu gehört dann auch mal wieder mehr Kämpfer-Mentalität – dann klappt‘s auch mit der Schale!