Dortmund. Die Rösterei „Neues Schwarz“ betreibt Direkthandel mit Kaffeebauern – und kann ihnen mehr zahlen als beim Handel mit „Fairtrade“-Zertifikat.
Eine eigene Kaffeerösterei betreiben – das wollte Benedikt Heitmann auch deshalb, weil es für ihn bedeutete, „mit anderen Kulturen in Kontakt zu kommen“. Damit sollte aber mehr als Gaumenkontakt mit lateinamerikanischem Kaffee gemeint sein. Also setzte sich der Dortmunder mit seinem Laden „Neues Schwarz“ von Anfang an das Ziel, auch die Länder, Plantagen, Gesichter hinter den Bohnen kennenzulernen – und nicht nur die Zwischenhändler. Das Konzept: Direct Trade, zu Deutsch: Direkthandel.
Die wichtigsten Lebensmittel-Siegel im Überblick
Im Gegensatz zu Produkten mit Siegel für fairen Handel wie „Fairtrade“ oder „GEPA fair+“ verlassen sich Direkthändler nicht auf die Kriterien der Labels. Sie verpflichten sich selbst zu einem gerechten Umgang mit Farmern und wollen mögliche ungerechte Zwischenhandelsstufen im Anbauland umgehen. Der Vorteil für die Röstereien: Sie wissen genau, wo der Kaffee herkommt, wie er gepflückt, getrocknet, kontrolliert wird. Der Vorteil der Erzeuger: „Wir können ihnen einen Preis weit über den Börsenpreis und auch über den Preis für Fairtrade-Kaffee zahlen“, sagt Benedikt Heitmann.
El Salvador und Brasilien: Zwei unterschiedliche Welten
Der Weltmarktpreis für Kaffee liegt bei etwa einem US-Dollar je Pfund, der Minimum-Preis für Produkte mit „Fairtrade“-Zertifikat bei 1,35 Dollar. Hartmann kann den Bauern dagegen laut eigener Aussage zwischen 3 und 3,50 Dollar pro Pfund zahlen. Außerdem kann er auch bei Bauern einkaufen, die nicht in Kooperativen organisiert sind. Produkte mit „Fairtrade“-Siegel dagegen kommen unausweichlich von zusammengeschlossenen Gemeinschaften. „Es ist gut, dass es solche Siegel mit Sozialstandards gibt, aber für uns ist es nicht das Richtige“, sagt Heitmann.
Inzwischen hat seine Rösterei „Neues Schwarz“ Direktbeziehungen zu Händlern aus Äthiopien, Peru, Guatemala, Costa Rica, Brasilien und El Salvador. Die beiden letzteren Länder bereiste Max Zocher, einer von 15 Mitarbeitern bei „Neues Schwarz“, zuletzt, um sich die Plantagen vor Ort anzusehen. „Die Unterschiede zwischen den Betrieben waren enorm“, sagt der Dortmunder.
Ankommen gegen den Pilzbefall
In Brasilien verabredete sich der Dortmunder mit Bauern der „Sun Coffee“-Kooperative. „Hier war alles sehr professionell“, erzählt er. „Jede Kaffeebohne wurde per Laser nach Größe sortiert, studierte Biologen kümmerten sich um die Bodenqualität.“ Zocher traf Plantagenarbeiter, – Männer wie Frauen – die mit dem Bus vom Eigenheim abgeholt und auf die Felder gebracht wurden.
Unterstützung vom Kaffeeverband
Der Deutsche Kaffeeverband begrüßt Direct-Trade-Initativen laut eigener Aussage. „Wir unterstützten den Austausch in der Branche zu diesem Thema“, heißt es von Sprecherin Miriam Kubik.
Zahlen oder Schätzungen darüber, wie viele Kaffeehändler in Deutschland Direkthandel betreiben, gibt es laut Kaffeeverband allerdings nicht. „Da es keine einheitliche Definition des Begriffs ‚Direct Trade‘ gibt, ist eine entsprechende Erfassung nicht möglich“, heißt
In El Salvador begegnete der 26-Jährige dagegen Angestellten, die ihre Mahlzeiten in Feuerstellen vor ihren Lehmhäusern zubereiteten. „Jede Bohne wird dort einzeln mit der Hand gepflückt, nicht mit Maschinen wie in Brasilien.“ Dem salvatorischen Kleinbetrieb drohte vor einigen Jahren das Ende, als die Felder von Kaffeerost befallen wurden. Die einzige Chance gegen den Pilz anzukommen: Die Felder zu verkleinern, die Kontrolle jeder Pflanze zu verschärfen und – statt auf Quantität – lieber auf Qualität für europäische Edelröstereien zu setzten.
Kontakt zum Händler über Online-Portal
Jetzt ist die Bauernfamilie dort tätig, was die Kaffeeexperten den „Speciality-Bereich“ nennen. Sie baut also teuren, aber geschmacklich besonderen Kaffee an. Einen Kaffee, wie man ihn bei „Neues Schwarz“ sucht.
Der Kontakt zu den Händlern kommt auf ganz unterschiedliche Weisen zustande, erzählt Chef Benedikt Heitmann - der ursprünglich Raumplanung studierte, dann aber beim Gedanken an ein Arbeitsleben im Büro verzweifelte. Nach Äthiopien etwa baute Heitmann Geschäftsbeziehungen auf, indem er sich online bei „Algrano“ registrierte – eine Online-Börse für Direct Trade.
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Nach eigenen Angaben sind bei „Algrando“ 1000 Nutzer aus mehr als 75 Ländern angemeldet, das Schweizer Portal übernimmt den Transport der Waren und finanziert sich über einen Anteil unter zehn Prozent bei jeder Transaktion. Zu anderen Händlern findet der Dortmunder auf traditionellere Weise Kontakt – über Messen oder Beziehungen.
Dass er alle seine rund 15 Sorten bald direkt vom Produzenten beziehen wird, hält er allerdings für unrealistisch. Manchmal stelle sich ein Zwischenhändler zu sehr dazwischen. Deswegen dann auf den Kaffee zu verzichten? „Dafür sind manche Sorten dann doch zu gut.“