Hagen/Dortmund/Essen. Was sind nachhaltige Seifenspender? Und wie geht Öko-Werbedesign? Drei „Entrepreneurs for Future“ über ihr Engagement bei den Klimastreiks.
Nicole Grote brauchte keine verärgerten „Fridays for Future“-Teenager, die ihr den Kopf mit ökologischem Waschmittel waschen mussten. Allein das Nachdenken über die Zukunft ihrer eigenen drei Kinder, sagt die Mediengestalterin, habe sie vor fünf Jahren „auf den Weg in die Nachhaltigkeit geführt“ – und damit in die Selbstständigkeit. Heute steht sie mit ihrem Eine-Frau-Betrieb „Mudda Natur Design“ für ökologisches Kommunikationsdesign und ist eine von rund 60 Geschäftsleuten aus dem Ruhrgebiet, die sich aktiv bei „Entrepreneurs for Future“ engagieren.
Während die „Scientists for Future“ Wissenschaftler bündeln, die Forderungen von „Fridays for Future“ unterstützten oder die „Grandparents for Future“ den Klimaschutz in der Senioren-Generation organisiert, sind die Entrepreneurs der Zusammenschluss ökologisch-motivierter Unternehmen. Warum Nicole Grote hier mitmischt? „Ich lasse Prospekte und Flyer bei Umweltdruckereien drucken, möglichst regional aus Recyclingpapier und mit nachhaltigen Druckfarben“, erzählt sie. Dabei sei es die große Herausforderungen, Anbieter zu finden, die solche Kriterien erfüllen und obendrein bezahlbare Materialien anbieten.
Öko-Beratung gehört beim Kundengespräch dazu
Findet sich kein Zulieferer, legt Grote selbst Hand an: Für den vergangenen Kirchentag in Dortmund bastelte sie Einkaufswagenchips aus Schrankrückwänden, für einen Kollegen konstruierte sie ein Ladenschild aus alten Kabeltrommeln. Während es in der Marketingwelt häufig darum geht, Kundenwünsche ohne zu zucken zu realisieren, rüttelt Grote an der Vorstellung vom Kunden als König – und sieht sich dabei auch mal als unangenehme Aufklärerin.
„Wenn der Kunde wenig Berührungspunkte mit dem Thema Nachhaltigkeit hat, sehe ich meine Beratungspflicht“, sagt sie. Bezieht der Kunde Ökostrom? Ist er bei einer grünen Bank? Ein klares Ja auf solche Fragen ist keine Bedingung, um mit Grote ins Geschäft zu kommen – aber anhand der Antworten weiß sie, wo sie über das Werbedesign hinaus Überzeugungsarbeit leisten kann. Die in dieser Hinsicht unkompliziertesten Kunden: Die „Fridays for Future“-Kids, die bei Grote – auch mal unentgeltlich – ihre Flyer drucken lassen. Bloß nicht in Überproduktion, versteht sich.
Seifenspender aus Biokunststoff
Während das Marketing Kerngeschäft bei „Mudda Natur“ ist, würde man sich beim Trockenseifenspender-Hersteller „Sapor“ in Essen wünschen, dass die Schüler-Bewegung auf die ein oder andere polarisierende Marketingaktion verzichten würde. Greta auf dem Segelboot? Das hätte laut Geschäftsführerin Constanze Schweizer nicht sein müssen. „Zu meiner Schulzeit wurde viel über das Waldsterben geredet – so viel, dass es am Ende keiner mehr ernst nehmen wollte“, erzählt die 52-Jährige.
Die Gefahr des Überdrusses sieht Schweizer auch bei den Fridays. „Wir brauchen einen gesunden Umgang mit dem Klimaschutz, kein reines Schwarz-Weiß-Denken.“ Trotz dieser Einstellung nennt sich Schweizer eine „Entrepreneur for Future“ und will regelmäßig Gesprächsrunden über nachhaltiges Wirtschaften ins Leben rufen. „Ich bin eigentlich ein konservativer Mensch, aber ich finde, dass jeder einen Beitrag dazu leisten sollte, dass die Welt nicht in Plastik ertrinkt“, erklärt sie ihre Motivation.
Die neueste Generation ihrer Seifenspender sei deshalb größtenteils aus Biokunststoff mit 75-prozentigem Grasfaseranteil hergestellt, zu einem weiteren Viertel aus recyceltem Plastik. Die Nachhaltigkeit, gibt sie zu, war jedoch kein zentraler Antrieb dafür, im Jahre 2011 den seit 1947 bestehenden Hersteller „Sapor“ zu übernehmen.
Markt für Bio-Blockseifen wächst
Sie sah – kommend vom Seifenspender-Marktführer Ophardt – in Spendern für ewig haltbare Trockenseife einen vielversprechenden Markt in Indien oder dem tiefsten Sibirien, „dort wo es aus wirtschaftlichen Gründen noch feste Seife am Waschplatz gibt“. Aber dann erkannte sie als Ausstellerin auf Messen, dass Bio-Trockenseife auch in Westeuropa treue Zielgruppen erreichen kann. „Wir haben gemerkt, dass es auch hier Kunden gibt, die was Althergebrachtes wieder haben wollten.“
Auch das Dortmunder Digitalunternehmen „Point 8“ hat sich „ursprünglich nicht gegründet, um die Welt nachhaltiger zu machen“, gibt Gründer Tobias Brambach zu. Kernantrieb des Start-ups ist es, Abläufe in Firmen zu digitalisieren – und damit effizienter zu machen.
Was das konkret bedeutet, macht der promovierte Physiker Brambach an einem Beispiel klar: „Ausfälle in Fabriken können sich Unternehmen nicht erlauben“, sagt er. „Oft werden deshalb viele Teile an Maschinen nach bestimmter Zeit ausgetauscht, obwohl sie möglicherweise noch lange gehalten hätten.“ „Point 8“ sorgt nun durch den Einbau von Warnsystemen oder Umprogrammierung dafür, dass die Teile wirklich erst dann ausgetauscht müssen, wenn sie kurz davor sind, auszufallen.
Physiker: Nachhaltigkeit ist kein Selbstzweck
„Es geht um eine vorausschauende und effiziente Wartung“, erklärt Brambach – und damit am Ende auch um Nachhaltigkeit. „Es ist natürlich wesentlich ressourcenschonender, wenn die Wartungszyklen nicht mehr standardisiert sind.“ Nur: Für viele seiner Kunden ist das noch kein Argument, die Abläufe in den Firmen zu überdenken. „Erst wenn die Nachhaltigkeit die Kosten reduziert, sind die meisten Unternehmen bereit, auf den Zug aufzuspringen.“
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Am 20. September, wenn „Fridays for Future“ auch die Erwachsenenwelt dazu aufruft, für das Klima die Arbeit ruhen zu lassen, wird dem 15-köpfigen „Point 8“-Team komplett freigestellt. Für Tobias Brambach ist das auch deshalb eine Selbstverständlichkeit, weil er auch zu den Gründungsmitgliedern der Dortmunder „Scientists for Future“ gehört. Trotz der breiten Unterstützung für die jungen Umweltaktivisten ist Brambach aber vor allem eines wichtig: „Dass die Bewegung bei den Schülern bleibt.“ Die Unternehmen, findet er, sollten eher im Hintergrund mobilisieren. Und da ist er ganz eins mit „Sapor“-Chefin Schweizer: „Bei den Entrepreneurs mitzumachen, darf nicht als Marketingtool missbraucht werden.“