Essen. Der Bund stellt eine Milliarde Euro zur Verfügung, um die Folgen des Kohleausstiegs abzufedern. Wieviel Geld ins Ruhrgebiet fließt, bleibt offen.

„Wir lösen ein Versprechen ein“, sagt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). NRW-Ministerpräsident Achim Laschet (CDU) spricht gar von einem „Meilenstein“. Im Ruhrgebiet löst der vom Bundeskabinett verabschiedete Entwurf des „Strukturstärkungsgesetzes“ zunächst allerdings keine Begeisterungsstürme aus. Denn es ist immer noch nicht klar, wieviel öffentliches Geld ins Revier fließen wird, um den zwölf bis zum Jahr 2038 stillzulegenden Kohlekraftwerk-Standorten neues Leben einzuhauchen und den Arbeitsplatzverlust abzufedern.

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Mehr als 15 Milliarden Euro will sich der Bund den endgültigen Ausstieg aus der Kohleverstromung kosten lassen. In NRW sollen rund fünf Milliarden Euro als Investitionshilfen ins Rheinische Revier fließen, wo RWE Braunkohle fördert und verfeuert. Das Ruhrgebiet mit seinen zwölf Steinkohlekraftwerken soll dem Gesetzentwurf zufolge von „Strukturhilfen für strukturschwache Standorte“ profitieren. Der Topf werde mit einer Milliarde Euro gefüllt sein.

Als förderfähig listet das Wirtschaftsministerium den Kreis Unna und die Städte Hamm, Herne, Duisburg und Gelsenkirchen auf. In diesen Kommunen fällt durch das Aus für Kohlekraftwerke mehr als 0,2 Prozent der Wertschöpfung weg. Datteln, Werne und Wesel fehlen deshalb in der Liste des Gesetzentwurfs. Das Steag-Kraftwerk Voerde war vor dem zugrunde gelegten Stichtag stillgelegt worden. Offen ist auch, wieviele Millionen aus dem Programm ins Ruhrgebiet fließen sollen.

RVR-Direktorin Karola Geiß-Netthöfel.
RVR-Direktorin Karola Geiß-Netthöfel. © FFS | Michael Gottschalk

Die Unklarheiten rufen den Regionalverband Ruhr auf den Plan. „Der Regionalverband Ruhr (RVR) begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung, erneuert aber seine Forderung, dass die Strukturhilfen dem Ruhrgebiet zugute kommen“, erklärte der RVR. Der Kohleausstieg habe nicht nur für das Rheinische Revier, sondern auch für das Ruhrgebiet erhebliche Folgen.

Erhebliche Folgen für das Ruhrgebiet

„Mit finanzieller Unterstützung des Bundes können wir die stillzulegenden Kraftwerksstandorte aufbereiten und schnell wieder nutzbar machen, um dem zunehmenden Flächenengpass für Gewerbe und Industrie entgegenzuwirken“, sagt RVR-Direktorin Karola Geiß-Netthöfel.

Ministerpräsident Laschet zeigte sich in einer schriftlichen Erklärung überzeugt, dass das Ruhrgebiet von den Strukturhilfen „erheblich partizipieren“ werde. Sein Ziel: „Die Strukturmittel des Bundes müssen investiert werden in die Entwicklung neuer industrieller Arbeitsplätze. Wir müssen wettbewerbsfähiger werden. Priorität muss die Stärkung der Forschung und die Förderung von Kraftwerken zur Speicherung von Energie im Dienste der Energiewende für ganz Deutschland sein“, so der NRW-Regierungschef.

Duisburg, Herne und Gelsenkirchen auf der Förderliste

„600 Millionen Euro für die Standorte in NRW“ seien realistisch, hatte Oliver Wittke (CDU), Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Ende Juli bei einer Konferenz in Werne gesagt. Der Rest der eine Milliarde Euro schweren Strukturhilfen für Steinkohle-Standorte sollen demnach ins Saarland, nach Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern fließen.

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Vom Kohleausstieg sind im Ruhrgebiet das Uniper-Kraftwerk Datteln betroffen, das möglicherweise erst gar nicht angefahren wird; zwei Blöcke des Steag-Kraftwerks Walsum in Duisburg; ein Steag-Standort in Herne und ein Uniper-Kraftwerk in Gelsenkirchen-Scholven sowie Anlagen von Steag und RWE in Bergkamen, Lünen und Werne. Mit ihrer Stilllegung sollen rund 3400 Arbeitsplätze verloren gehen. Die Energiekonzerne verhandeln gerade mit der Bundesregierung über Entschädigungen und Abriss-Modalitäten. Das Kohleausstiegsgesetz will der Bundestag bis Jahresende verabschieden.

Im Ruhrgebiet hat derweil ein Prozess begonnen, um die Nachnutzung der Kraftwerksstandorte vorzubereiten. Mit der Projektkoordination hat die Landesregierung die Business Metropole Ruhr GmbH (BMR) in Essen beauftragt. Wirtschaftsförderer Rasmus C. Beck soll die unterschiedlichen Interessen der Kommunen, wie die vom Bund in Aussicht gestellten Strukturmittel eingesetzt werden, unter einen Hut bringen. Beck strebt nach eigenen Worten einen „regionalen Konsens“ an. „Diese wichtige Aufgabe werden wir gemeinsam mit unseren regionalen Partnern bearbeiten und besonders die Handlungsfelder Flächenentwicklung, Innovation, Mobilität und Energie in den Fokus nehmen“, sagte der BMR-Geschäftsführer unserer Redaktion.