Essen. Die Kammern stehen wegen der Zwangsmitgliedschaft in der Kritik. Sie wehren sich gegen den Vorwurf, Beiträge in den Vermögensaufbau zu stecken.

Die Zwangsmitgliedschaft der Unternehmen in den Industrie- und Handelskammern sorgt seit Jahrzehnten bundesweit für Streit. Erstmals zahlt die IHK Essen

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einem Essener Unternehmen vier Jahresbeiträge in Höhe von 2000 Euro zurück. Der Bundesverband für freie Kammern (BffK) verbucht das als Erfolg und erwartet, dass nun weitere Firmen vor die Verwaltungsgerichte ziehen. Aus seiner Sicht bauen die Kammern aus Beitragseinnahmen „unrechtmäßig“ Vermögen auf, anstatt es ihnen zurückzuerstatten. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie hoch ist der Beitrag, den Unternehmen an die IHK abführen müssen?

Den Satz legt jede Kammer für sich fest. „Die IHK-Beiträge orientieren sich an der Leistungsfähigkeit der Unternehmen“, heißt die grobe Marschrichtung. Im bundesdeutschen Schnitt zahlen die Unternehmen 326 Euro IHK-Beitrag. Das variiert von Bezirk zu Bezirk. Im Mittleren Ruhrgebiet (Bochum, Herne, Hattingen) liegt der Schnitt bei 462 Euro, in Dortmund bei 394 Euro und in Nord Westfalen (mit Gelsenkirchen, Bottrop und dem Kreis Recklinghausen) bei 197 Euro. „Ab dem Jahr 2012 haben wir den Mitgliedsbeitrag gesenkt und dadurch die Unternehmen am Niederrhein in Höhe von rund 1,85 Millionen Euro entlastet“, sagt Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK (Duisburg, Kreise Wesel und Kleve). „Das zeigt, dass wir Mehr-Einnahmen, wenn immer möglich, an unsere Mitglieder zurückgeben.“

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Gibt es auch Firmen, die von Beiträgen komplett befreit sind?

Ja. Kleine Betriebe mit niedrigen Erträgen unter 5200 Euro, die nicht im Handelsregister eingetragen sind, müssen bei allen IHKs nichts zahlen. Bei der IHK Nord Westfalen sind das etwas weniger als die Hälfte der rund 160.000 Mitglieder. In Duisburg waren es im Jahr 2017 knapp 27.000 Betriebe.

Zum Beitrag kommt der Umlagehebesatz. Wer legt ihn fest?

Die Vollversammlungen der Kammern legen jährlich fest, wie hoch der Hebesatz auf Gewerbeerträge ausfällt. Mit 0,33 Prozent lag er für das Jahr 2018 in der Niederrheinischen IHK am höchsten. Das Mittlere Ruhrgebiet erhebt stabil 0,25 Prozent. Am günstigsten ist Nord Westfalen mit 0,10 Prozent.

Der IHK-kritische Verband BffK kritisiert, dass Kammern zuweilen zu viele Einnahmen in Rücklagen stecken, anstatt sie ihren Mitgliedern zurückzuerstatten. Die Kammern bestreiten das. Wie gehen die IHKs mit ihrem Eigenkapital um?

Die Rücklagen bestehen vor allem aus der Ausgleichsrücklage, die finanzielle Schwankungen zum Beispiel durch konjunkturbedingt sinkende Beiträge ausgleichen soll. Hinzu kommen zweckgebundene Rücklagen wie die Renovierung von Gebäuden und die Anschaffung von IT-Infrastruktur. „Kammern dürfen nicht gewinnorientiert denken und benötigen daher eine schwarze Null. Wenn Mitgliedsbeiträge aufgrund einer schlechten Konjunktur zurückgehen“, sagt Stefan Schreiber, Hauptgeschäftsführer der IHK Dortmund.

Wie entwickeln sich die Rücklagen?

Sie sinken. „Wir erheben seit 2011 IHK-Beiträge unter Bedarf, um so die Rücklagen schrittweise deutlich abzusenken“, sagt Jochen Grütters, Leiter des IHK-Standorts Emscher-Lippe. Betrugen die Rücklagen 2017 in Summe noch rund 10,5 Millionen Euro, sind im aktuellen Wirtschaftsplan nur noch rund 4,3 Millionen Euro vorgesehen. Für die Jahre 2011, 2012, 2014 und 2017 habe die IHK Nord Westfalen zudem Beiträge mit einem Gesamtvolumen von knapp zwölf Millionen Euro erstattet.

Auch die IHK Mittleres Ruhrgebiet hat die Ausgleichsrücklage erheblich zurückgefahren: Von 4,8 Millionen im Jahr 2017 auf aktuell 600.000 Euro. Hauptgeschäftsführer Eric Weik kündigt allerdings eine Aufstockung der Baurücklage von 600.000 Euro bis Ende 2019 auf 2,264 Millionen Euro an, „weil unser Gebäude in Bochum in absehbarer Zeit saniert oder zumindest modernisiert werden muss“.

Erwarten die Kammern eine Klagewelle, weil die IHK Essen einem Unternehmen freiwillig die Beiträge zurückerstattete, um einem Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen zuvorzukommen?

Nein. „Wir sehen dem gelassen entgegen“, sagt Veronika Lühl, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der IHK Mülheim/Oberhausen/Essen. „Die Haushalte der Kammer würden regelmäßig geprüft.“ Kai Boeddinghaus, Geschäftsführer des Verbands BffK, fordert allerdings, dass die IHKs ihre Vermögen zugunsten ihrer Mitglieder auflösen. „Es darf ja nicht sein, dass nur derjenige, der sich dagegen wehrt, etwas zurückbekommt“, sagt er.