Essen. Weil Bäume CO2 speichern, nützen sie dem Klima. Doch Dürre und Käfer machen dem Wald in NRW zu schaffen. Der Waldbauern-Präsident fordert Hilfe.

In der Klima-Debatte ist der Wald in den Blickpunkt gerückt. Eine massive Aufforstung könnte nach Expertenmeinung den Klimawandel verlangsamen oder gar stoppen. Dabei ist der Wald selbst Patient: Viele Bäume sind von Schädlingen befallen und nach dem Dürrejahr 2018 massiv geschwächt. Auch Philipp Freiherr Heereman, Präsident der NRW-Waldbauern, zeichnet ein düsteres Bild. Martin Korte sprach mit ihm.

Eine aktuelle Studie hebt die Bedeutung des Waldes als Kohlendioxid-Speicher hervor. Sind Waldbauern die neuen Klimaretter?

Wir erfahren in der Tat eine neue öffentliche Aufmerksamkeit, allerdings werden daraus nicht immer die richtigen Konsequenzen gezogen. Die Waldbauern haben das Thema Nachhaltigkeit schon vor Jahrhunderten erfunden. Heute wird der Begriff leider von vielen häufig missbraucht. Der Wald befindet sich in einer Doppelfunktion: Er ist Opfer des Klimawandels, er ist aber auch ein Teil der Lösung. Die Forstwirtschaft produziert Sauerstoff und bindet CO2, das schafft keine andere Branche. Das muss in den Köpfen vieler Menschen noch ankommen. Umso wichtiger ist das von Bundesagrarministerin Klöckner vorgeschlagene Programm zur Wiederaufforstung von geschädigten Wäldern.

Waldbauernpräsident Philipp Freiherr Heereman im Interview.
Waldbauernpräsident Philipp Freiherr Heereman im Interview. © FUNKE Foto Services | Marit Langschwager

Warum ist der Wald Opfer?

Er verändert sich rapide schnell zum Nachteil. Nach dem Sturm Friederike im Januar 2018 haben die Waldbauern es nicht geschafft, die großen Mengen an Schadholz schnell genug aus dem Wald zu holen; der Frühling war dann viel zu warm – mit der Folge, dass der Borkenkäfer sich rasend schnell ausbreiten konnte. Wir haben heute betrachtet auch den Fehler gemacht, dass wir nicht mutig genug waren, alle geschädigten Bäume aus dem Wald zu holen, um den Holzpreis nicht weiter nach unten zu treiben. Als dann kein Regen mehr fiel und auch die umgefallenen Bäume, die aber noch Wurzeln hatten, vertrockneten, machte sich der Käfer auch über diese her. Seitdem tötet er sogar die gesunden Bäume, weil die wegen der Trockenheit kein Harz als Abwehrmittel bilden können. Er vermehrt sich weiter und stellt uns vor Probleme in gewaltigen Dimensionen. Diese Situation ist auch eine Folge des Klimawandels.

Was heißt das für dieses Jahr?

2019 ist bisher wieder trocken, also befällt der Borkenkäfer weitere Baumarten, wenn er keine Fichte mehr als Nahrung findet. Zunächst knöpft er sich andere Nadelbäume vor, etwa die Lärche und die Douglasie, also gerade die Arten, die eigentlich resistenter gegen Stürme sind. Und dann kommen die Laubbäume.

Malen Sie schwarz?

Auf keinen Fall. Schauen Sie sich doch mal die Buchen an. Sie sehen vielerorts jetzt schon aus wie im Herbst, weil sie zu wenig Wasser haben. Sie verlieren ihre Blätter; es gibt ganze Bestände, die kahl werden. Wir befürchten ein flächendeckendes Buchensterben. Die Buche ist ein Flachwurzler, die Eiche ein Tiefwurzler; sie bekommt noch ein Jahr mehr Wasser, aber dann ist sie dran. Wenn die Buche weiter leidet, werden wir ganze Waldbezirke sperren müssen, weil sie im schlechten Zustand große Äste zu verlieren droht.

Warum setzen Sie gegen den Borkenkäfer keine Insektizide ein?

Während die Landwirtschaft regelmäßig mit Pflanzenschutzmitteln auf der Fläche arbeiten muss, werden diese im Wald höchstens punktuell und auf geernteten Holzstämmen eingesetzt. Hier wird in der öffentlichen Wahrnehmung mit zweierlei Maß gemessen.

Was fordern Sie von der Politik?

Der Holzpreis liegt derzeit unterhalb der Erntekosten. In dem Moment, in dem ein Waldbauer in den Wald geht, macht er quasi Verluste. Aber das Holz muss wegen des Borkenkäfers weg. Wir fordern daher, dass die Landesregierung daraus entstehende wirtschaftliche Nachteile abfedert, denn insgesamt sind schon fünf Millionen Festmeter betroffen. Wir befinden uns in einer Katastrophensituation und brauchen finanzielle Unterstützung, um diese zu bewältigen. Schließlich erbringen wir viele Leistungen für die Gesellschaft.

Ein Borkenkäfer krabbelt über die Unterseite einer Fichtenrinde.
Ein Borkenkäfer krabbelt über die Unterseite einer Fichtenrinde. © dpa | Roland Weihrauch

Womit wir wieder beim Kohlendioxid wären.

Genau. Man kann sehr wohl die finanziellen Auswirkungen der CO2-Bindung des Waldes ausrechnen, so wie es Schweizer Forscher im Auftrag der Bundesregierung jetzt getan haben. Bisher läuft unser System so: Wer etwas Schlechtes macht, also etwa Schadstoffe erzeugt, muss dafür bezahlen. Warum wird nicht derjenige, der etwas Gutes tut, etwa Schadstoffe bindet, dafür belohnt?

Das bedeutet: Sie sind für eine CO2-Steuer und wollen an den Einnahmen beteiligt werden?

Das Wort Steuern behagt mir nicht, weil der Staat dazu neigt, die Einnahmen daraus oft für andere Zwecke zu verwenden. Ich spreche lieber von CO2-Bepreisung. Wir brauchen einen CO2-Pakt mit der Industrie und mit den Verbrauchern. Und ja: An den Einnahmen sollte der Wald beteiligt werden, schließlich trägt er zur Lösung der Problematik bei.

Muss der Wald den Klimanotstand ausrufen?

Auch dieser Begriff gefällt mir nicht. Aber ja: wir haben eine Klimaveränderung. Deshalb plädiere ich dafür, dass wir in der Landesregierung einen Klimabeauftragten bekommen, der neben dem Ministerpräsidenten sitzt und sämtliche Entscheidungen in allen Politikbereichen auf ihre Klimaauswirkungen abklopft.