Essen/Dortmund. Ein Start-up analysiert für die RAG mit einem speziellen Algorithmus Luftbilder. Potenziell gefährliche Flächen sollen so sicher erkannt werden.

Eine Horrorvorstellung: Der Boden bricht unter den eigenen Füßen weg und zieht alles mit sich in die Tiefe. Tagesbruch nennt sich dieses Phänomen, das besonders in ehemaligen Bergbauregionen auftritt und durch Schäden im Erdreich entsteht. Damit solche Unglücke zukünftig bestenfalls gar nicht mehr passieren, haben die beiden Raumplaner Jakob Kopec (31) und Florian Spieß (32) vom Start-up „Spacedatists“ einen Algorithmus entwickelt, der solche potenziellen Gefahrenstellen frühzeitig für den Kohlekonzern RAG erkennen soll.

Die Geschäftsführer von „Spacedatists“, Jakob Kopec (l) und Florian Spieß.
Die Geschäftsführer von „Spacedatists“, Jakob Kopec (l) und Florian Spieß. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Der muss schließlich auch nach der Bergbauära sicherstellen, dass seine Schächte im Ruhrgebiet und im Saarland nicht zur Gefahr werden. Jahr für Jahr lässt die RAG dafür Luftbilder erstellen, die sie bisher mühsam miteinander verglichen hat. Gesucht wurde beispielsweise nach neuen oder veränderten Mulden, die auf Tagesbrüche hinweisen können.

Solche großformatigen Aufnahmen muss es aber auch weiterhin geben. „Wir waren immer auf den Vergleich angewiesen, der Algorithmus kann hingegen nach dem ersten Flug sagen, wo Verdachtsflächen sind. Das ist ein Riesenvorteil“, sagt Andreas Schlienkamp, Teamleiter Fernerkundung bei der RAG. Dieses Verfahren sei auch deutlich genauer.

„Der Algorithmus findet Mulden, von denen man vorher gar nicht wusste, dass sie existieren. Dann bewertet er sie nach Relevanz“, erläutert Spieß. Alle 20 Zentimeter werden dafür bei den Flugaufnahmen Laserpunkte gesetzt. „Diese Laserabtastung geht durch alles Vegetative durch, funktioniert also auch in Wäldern“, weiß Kopec.

Stresstest mit großen Datenmengen

Gegründet haben beide vor etwa einem Jahr. Damals waren sie wissenschaftliche Mitarbeiter an der Fakultät Raumplanung der Technischen Universität Dortmund. Mittlerweile arbeiten sie Vollzeit für ihr Start-up. Die Nähe zur Uni ist geblieben. Dank ihres Standorts am Technologiezentrum sind es vor allem ihre ehemaligen Studenten, die für die „Spacedatists“ arbeiten.

400 Quadratkilometer groß ist das Gelände, das die RAG jährlich abfliegen lässt. „Allein das dauert etwa eine Woche“, so Andreas Schlienkamp. Wenige Wochen später bekommt das Unternehmen die Daten. „Den Algorithmus haben wir auf kleineren Flächen getestet. Gerade machen wir den Stresstest mit großen Datenmengen“, erläutert Jakob Kopec.

Die Luftbilder überprüft der Algorithmus auf etwa 20 Indikatoren. „Wir schauen beispielsweise, ob die Flöze parallel zu den Mulden verlaufen. Das kann ein Hinweis sein.“ RAG-Mitarbeiter müssten diese Flächen dann vor Ort überprüfen.

Hinzu kommen die Bergbauschäden, die dem Konzern gemeldet werden. Zuletzt gab es davon jährlich mehr als 20.000 – betroffen waren Gebäude, Industrieanlagen oder auch Straßen. Die Tendenz ist abnehmend, noch vor zehn Jahren waren es fast doppelt so viele. In „fast allen Fällen“ habe man eine einvernehmliche Bergschadensregulierung finden können, so die RAG.

Die Kooperation der „Spacedatists“ mit dem Bergbaukonzern kam durch den Wettbewerb „Data Hub“ der Gründerallianz Ruhr zustande (siehe Box), bei dem Start-ups, die datengetrieben arbeiten, vorgegebene Probleme lösen sollen. Anfangs waren 146 Bewerber aus 24 Ländern dabei. Ausgewählt wurden am Ende sechs, darunter die „Spacedatists“.

„Die Daten liegen oft ungenutzt rum“

Zunächst war es eine Herausforderung, den Start-ups die Daten der Unternehmen zur Verfügung zu stellen. „Die Daten liegen oft ungenutzt rum. Die Unternehmen haben gar nicht die Fähigkeiten, mit ihnen zu arbeiten. Gemeinsam haben wir dann die Anwendungsfälle definiert“, so Felix Schröder von der Gründerallianz Ruhr.

Gefördert wurden die „Spacedatists“ mit insgesamt 27.000 Euro und einem professionellen Coaching. Kopec und Spieß sind überzeugt, dass ihr Algorithmus auch für andere Anwendungsbereiche funktioniert. Statt Mulden könnten etwa Bombenkrater gesucht werden. „Im ersten Sinne sind wir Geodatenanalysten“, betont Spieß. Wichtiger Partner soll aber die RAG bleiben. „Wir sind auf eine langfristige Geschäftsbeziehung aus.“