Essen/Bochum. . Interview mit Vonovia-Chef Rolf Buch: Im Kampf gegen Schrottimmobilien bietet der Bochumer Wohnungskonzern den Ruhrgebietsstädten Hilfe an.
Der Bochumer Wohnungskonzern Vonovia will die Revierkommunen im Kampf gegen Schrottimmobilien unterstützen. „Fakt ist, dass die eine oder andere Ruhrgebietsstadt große Probleme in einzelnen Vierteln hat. Wenn es passt, helfen wir mit, Probleme zu lösen“, sagt Vonovia-Chef Rolf Buch in unserem Interview. „Wir haben das Know-how und das Kapital, Stadtviertel zu entwickeln.“ In Ruhrgebietsstädten wie Essen und Herne haben bereits die Kommunen Schrottimmobilien gekauft, um eine weitere Verwahrlosung zu verhindern.
Herr Buch, steigende Mieten und Wohnungsnot in Deutschlands Metropolen haben eine Diskussion über die Rolle der Immobilienwirtschaft ausgelöst. In Berlin fordert eine Bürgerinitiative sogar eine Enteignung und die Sozialisierung von Wohneigentum. Schauplatz ist ausgerechnet die Karl-Marx-Allee. Bereitet Ihnen diese Entwicklung Sorgen?
Buch: Wir beobachten aufmerksam, in welche Richtung diese Debatte läuft und wir müssen die Sorgen der Bürger ernst nehmen. Dass in Berlin ernsthaft über eine mögliche Enteignung von Wohnungsanbietern diskutiert wird, hat allerdings etwas Irrationales. Radikale Konzepte helfen uns nicht dabei, die Probleme zu lösen. Wir müssen immer daran denken: Bei einer Enteignung entsteht nicht eine neue zusätzliche Wohnung.
Was ist denn Ihr Konzept?
Buch: Der Mangel an Wohnungen ist es doch, der die Neuvermietungsmieten treibt. Die viel wichtigeren Fragen sind aus meiner Sicht: Woher sollen die finanziellen Mittel kommen, die wir in den nächsten Jahren bundesweit brauchen, um den Wohnungsmangel zu beheben? Wie wollen wir die 2,9 Millionen altersgerechten Wohnungen schaffen, die wir für unsere alternde Bevölkerung dringend benötigen? Und wie wollen wir mehr Klimaschutz im Gebäudebestand erreichen, wenn die jährlichen Kosten für die energetische Modernisierung bei 25 bis 50 Milliarden Euro liegen, gleichzeitig aber die Akzeptanz dafür schwindet?
Aber sind Wohnungsunternehmen in der Lage, den Menschen vor Ort zu helfen? Der Auftrag von Vonovia ist schließlich nicht, Gesellschaftspolitik zu betreiben, sondern Gewinne zu erwirtschaften.
Buch: Wir sind unseren Mietern, unseren Eigentümern und unseren Mitarbeitern gleichermaßen verpflichtet. Wir möchten, dass sich die Viertel, in denen sich unsere Immobilien befinden, gut entwickeln. Daher ist uns ein gutes Miteinander mit den Mietern und der lokalen Politik wichtig. Uns geht es nicht darum, nur möglichst viel Gewinn zu machen. Wir brauchen die gesellschaftliche Akzeptanz für alles, was wir tun. Deshalb investieren wir dreistellige Millionen-Beträge in die Instandhaltung unserer Gebäude und begrenzen die zusätzlichen Kosten für die Mieter nach einer Modernisierung bei zwei Euro pro Quadratmeter. Mit dieser Strategie sind wir übrigens Vorreiter in der Branche.
Bei Modernisierungen besteht allerdings auch die Gefahr, dass sich manche Menschen die höhere Miete nicht mehr leisten können.
Buch: Durch unsere Modernisierungen werden die Wohnungen schöner und zeitgemäßer. Herausmodernisieren möchten wir aber niemanden. Die Menschen sollen in ihrer Wohnung bleiben können. Um das bewerten zu können, hilft unsere durchschnittliche Miethöhe: Die liegt bundesweit bei 6,45 Euro. Unser Ansatz ist ein verantwortungsvoller Umgang miteinander, bei dem wir unterschiedliche Interessen übereinbringen.
In Ruhrgebietsstädten wie Essen und Herne haben die Kommunen Schrottimmobilien gekauft, um eine weitere Verwahrlosung zu verhindern. Auch hier springt also der Staat ein. Können Sie sich vorstellen, dass Vonovia Schrottimmobilien übernimmt und renoviert?
Buch: Fakt ist, dass die eine oder andere Ruhrgebietsstadt große Probleme in einzelnen Vierteln hat. Wenn es passt, helfen wir mit, Probleme zu lösen. Das haben wir beispielsweise im Essener Eltingviertel oder in Dortmund-Westerfilde bewiesen, wo wir in Quartiere mit schwieriger Ausgangslage investiert haben. Ähnlich gehen wir in Berlin im Ziekowkiez im Bezirk Reinickendorf vor. Das soll in den nächsten Jahren eines der größten Neubauprojekte in der Stadt werden – wohl gemerkt sozialverträglich. Wir haben das Know-how und das Kapital, Stadtviertel zu entwickeln. Und gleichzeitig lernen wir immer mehr dazu – davon können auch Kommunen profitieren.
Lässt sich das Vorgehen auf andere Städte in Deutschland übertragen?
Buch: Was wir in Essen, Dortmund und Berlin tun, orientiert sich klar an den Gegebenheiten vor Ort. Bevor wir investieren, schauen wir genau hin, welche Maßnahmen sinnvoll sind. Insbesondere in der Quartiersentwicklung wollen wir niemanden verdrängen. Gleichzeitig geht es darum, die Attraktivität zu steigern und Wohnraum zu schaffen, der sich an heutigen Bedürfnissen orientiert. Ein tolles Beispiel hierfür ist Dortmund Westerfilde. Hier investieren wir in die Gebäude, das Wohnumfeld und kooperieren gleichzeitig mit sehr vielen Partnern vor Ort. Das lässt sich nicht eins zu eins auf andere Quartiere übertragen, aber wir sammeln wertvolle Erfahrungen.
Haben Sie den Eindruck, dass sich die Gesellschaft radikalisiert? In Essen kämpft die Polizei gegen Clanstrukturen, in manchen Dortmunder Vierteln ist Rechtsradikalismus ein Problem. Was kann Vonovia tun?
Buch: Als Vermieter setzen wir uns aktiv für Integration ein. Wir sollten alle gemeinsam daran arbeiten, Radikalisierung und Fremdenfeindlichkeit entgegenzuwirken, und zeigen, wie vielseitig Deutschland ist. Das heißt auch, dass sich alle, die hier leben, an die Regeln und Gesetze halten müssen. In manchen Stadtteilen ist die Integration – manchmal auch für uns – eine riesige Herausforderung. Ein Fehler wäre sicherlich, wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen nur noch unter sich blieben. Das müssen wir unbedingt verhindern.