Attendorn. . Leichtbau: Bei Kirchhoff Automotive in Attendorn forschen die Ingenieure permanent am Umgang mit neuen Werkstoffen und neuen Produktionsverfahren.

Auf den ersten Blick wirkt es wie die Geschichte eines gigantischen Scheiterns: Seit 25 Jahren forschen die Autoindustrie und ihre Zulieferer intensiv an Materialien und Produktionstechniken, um die Autos leichter zu machen. Und seitdem sind die Autos immer schwerer geworden. Aber das liegt an anderen Dingen: Die Autos werden immer größer und bekommen immer mehr Sicherheits- und Komfort-Ausstattung. Und, das erzählt Christoph Wagener, bei Kirchhoff Automotive in Attendorn für Forschung und Produktentwicklung zuständig: „Die Karosserie ist in der Performance beim Crash und der Steifigkeit, welche sich im Fahrverhalten bemerkbar macht, um den Faktor 3 bis 4 besser geworden.“ Und leichter. Also doch eine erfolgreiche Ingenieurleistung. Und es geht natürlich weiter.

Es geht auch um Ressourcen

So wie immer: „Jeder Ingenieur will sein Produkt leicht und funktional machen, um Ressourcen zu sparen. In der Autoindustrie kam ein anderer Aspekt dazu: Leichtere Bauteile sparen Sprit und CO2. Deshalb wurde Stahl durch Aluminium ersetzt und durch immer hochfesteren Stahl. Und viel ist jetzt die Rede von faserverstärkten Kunststoffen, die geringes Gewicht mit viel Stabilität verbinden, aber auch deutlich mehr kosten. Und das bekommt beim Umstieg auf die Elektromobilität besondere Bedeutung: „Die Energieeinsparung durch Gewichtsreduktion beträgt bei der E-Mobilität nur ein Drittel gegenüber dem Verbrennungsmotor“, sagt Wagener. Da könnte man auf die Idee kommen, Leichtbau sei gar nicht mehr so wichtig. Wagener widerspricht: „Erstens sind die Batterien schon sehr schwer. Zweitens ist das Gewicht für die Fahrdynamik, also Beschleunigung und Bremsen, wichtig. Drittens spielt die Belastung auf Achsen und Räder eine Rolle. Und viertens muss bei einem Crash mit weniger Gewicht weniger Energie abgebaut werden.“

Also forscht Kirchhoff Automotive weiter am Leichtbau. „Wir entwickeln keine neuen Werkstoffe“, sagt Christoph Wagener, „aber wir untersuchen, wie es sich im Produkt verhält, welche Kombinationen geeignet sind und wie es sich verarbeiten lässt“. Daraus entstehen neue Produktkonzepte, im Auftrag eines Kunden oder als eigene Entwicklung und am Ende Serienentwicklungen.

Noch ganz am Anfang steht ein Forschungsprojekt in einem Verbund mit anderen Industriepartnern und der Universität Siegen. Dabei geht es um Organobleche, faserverstärkte Kunststoffplatten aus Thermoplasten, die nach dem Anwärmen ähnlich wie Metallbleche gepresst werden.

Im Showroom zeigt Wagener solch ein Teil, das als Unterboden für ein Sondermodell des Opel Astra entwickelt wurde. Das wurde aber dann doch nicht gebaut. Das Problem bei diesem Material, das 43 Prozent weniger wiegt als Stahl und bis zu 15 Prozent weniger als Aluminium: Die Fasern – aus Glas oder Karbon – können sich beim Pressen verschieben. Herrscht dann an den entscheidenden Stellen noch die nötige Stabilität? Dafür soll eine in der Produktion vernetzte, flexible Messtechnik entwickelt werden. Genauer gesagt sogar zwei: Eine Art Wärmebildkamera lokalisiert Fehler und eine 3D-Terahertz-Bildgebung analysiert diese gründlicher. Fünf Millionen Euro stehen für das Projekt zur Verfügung, eine Hälfte kommt vom Bundesforschungsministerium, die andere von der Industrie.

Ob sich der Einsatz hinterher rechnet? „Das müssen die Hersteller entscheiden“, meint Wagener, klingt dabei aber eher skeptisch. Aber materialtechnisch kann man ja über die Autoindustrie hinausdenken und in die Luft gehen: Pro 1000 Gramm muss eine Fluglinie 300 Dollar Spritkosten pro Jahr kalkulieren. Da könnten sich leichtere und doch stabile Materialien eher lohnen.

Kunststoff für Nischen

Und welche Trends erwartet Christoph Wagener im Automobilbau? Mit dem großen Durchbruch bei faserverstärkten Kunststoffen rechnet er im Karosseriebau nicht – vor allem aus Kostengründen: „Wir werden weiter hauptsächlich mit Stahl und Aluminium arbeiten und Kunststoffe für Nischen nutzen.“ Was aber in der Industrie wichtig werde: „Wir müssen die Komplexität reduzieren. Wenn wir die Bauweise nicht vereinfachen, stehen sich die Roboter gegenseitig auf den Füßen.“