Essen. . Der Chemiekonzern Evonik verändert sein Bonus-System für rund 8000 Beschäftigte. Vorstandschef Kullmann erhofft sich mehr Wettbewerb im Konzern.
Rund 8000 Beschäftige des Essener Chemiekonzerns Evonik müssen sich auf ein neues Bonus-System einstellen. Was sich Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann davon verspricht, erläutert er im Gespräch mit Ulf Meinke.
Herr Kullmann, viele Evonik-Beschäftige müssen sich auf ein neues Bonus-System einstellen. Möchten Sie in Zukunft weniger oder mehr Geld ausschütten?
Kullmann: Die Höhe der Summe, die wir an unsere weltweit 8000 außertariflich Beschäftigten zahlen, hängt maßgeblich vom Erfolg des Unternehmens ab. Das neue Bonussystem, das wir zur Jahreswende einführen, dient aber nicht dazu, mehr oder weniger Geld auszuschütten. Es geht darum, das Silodenken im Konzern zu überwinden, mehr Dynamik zu entfalten und das Geld gerechter zu verteilen. Künftig gilt: ein Konzern, ein Bonus. Die Formel ist dann für alle gleich.
Was meinen Sie mit Silodenken?
Kullmann: Wir sind ein Konzern mit vielen Einheiten, die geschäftlich getrennt voneinander agieren. Wir möchten alle auf ein Ziel einschwören: Wir machen Evonik zum besten Spezialchemiekonzern der Welt. Eine Voraussetzung dafür ist, dass alle am gemeinsamen Konzernerfolg gemessen werden.
War das bislang anders?
Kullmann: Bislang war der Bonus stark abhängig von der Situation der jeweiligen Geschäftsbereiche oder Segmente. Künftig ist entscheidend, wie es Evonik in Gänze geht. Wenn es gut läuft, gibt es für alle einen saftigen Burger – wahlweise auch vegetarisch. Wenn es schlecht läuft, gibt es Knäckebrot für alle – ohne Marmelade.
Nutzen Sie die Umstellung des Bonus-Systems auch für Einsparungen?
Kullmann: Wir greifen unseren Leuten doch nicht von hinten in die Tasche! Der Bonus-Topf wird nicht kleiner, das Geld wird nur anders, und zwar gerechter verteilt. Sollte die neue Formel aus mathematischen Gründen doch dazu führen, dass in der Summe etwas weniger Geld an die Mitarbeiter ausgeschüttet wird, dann würden wir die Differenz zur Seite legen und im Fall eines besonderen Erfolgs des Konzerns ausschütten – natürlich in Abstimmung mit Sprecherausschuss und Betriebsrat.
Hat das neue Bonus-System unmittelbar Zustimmung bei den Mitarbeitern gefunden?
Kullmann: Mit dem Betriebsrat und dem Sprecherausschuss, der die leitenden Angestellten vertritt, haben wir intensiv und phasenweise kontrovers diskutiert. Aber nach einer lebhaften Debatte gibt es nun Zustimmung.
Wie sieht die neue Formel aus?
Kullmann: Wir verknüpfen den Bonus jetzt für alle Berechtigten - vom Referenten bis zum Vorstand - mit drei wichtigen Kennzahlen: Wachstum, Marge und Free Cashflow.
Wie hoch sind die Bonus-Zahlungen individuell?
Kullmann: In guten Jahren kann der Bonus deutlich mehr als ein Monatsgehalt ausmachen.
Und die persönliche Leistung des Einzelnen spielt für die Höhe keine Rolle?
Kullmann: Die Vorgesetzten haben die Möglichkeit, herausragende Leistungen besonders zu würdigen. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass alle Mitarbeiter gute Arbeit machen. Wir wissen aber auch, dass die Leistungen Einzelner durchaus nach oben oder unten abweichen. Dem tragen wir auch beim Bonus Rechnung.
Wie funktioniert das?
Kullmann: Wir gehen davon aus, dass bis zu 25 Prozent unserer außertariflich Beschäftigten so genannte Top-Performer sind und bis zu 10 Prozent so genannte Low-Performer. Für die Besten wird der Bonus mit 1,2 multipliziert, für die Schwächeren mit 0,8. Das motiviert zusätzlich und stärkt die Position der Vorgesetzten, die darüber entscheiden. Außerdem funktioniert das System wie im Sport: Jeder will gewinnen, das fördert den Wettbewerb.
Droht die Gefahr, dass Sie die Belegschaft durch eine solche Kategorisierung spalten?
Kullmann: Wettbewerb ist das Salz in der Suppe und ein zentrales Element im Wirtschaftsleben. Außerdem reden wir hier über Mitarbeiter und Führungskräfte, für die Wettbewerb selbstverständlich sein sollte. Sehen Sie: Wir haben doch keine schlechten Leute. Wir haben ganz überwiegend gute und sehr gute Mitarbeiter. Und wer schwächere Leistungen bringt, der wird gezielt gefördert.
Es wird also Gewinner und Verlierer im Konzern geben.
Kullmann: Das würde ich so nicht sagen. Evonik ist ein sehr erfolgreiches Unternehmen, unsere Gehälter liegen deutlich über dem Landesschnitt in der Industrie. Und wenn der Konzern gute Ergebnisse einfährt, dann legen wir für jeden noch was drauf. Da kann ich keine Verlierer erkennen.
Und das gilt auch für den Vorstand?
Kullmann: Aber sicher. Für den Vorstand gilt die gleiche Formel. Und über unsere Leistung entscheiden die Mitglieder des Aufsichtsrats.
Sind die Veränderungen beim Bonus auch Ausdruck eines neuen Arbeitens bei Evonik?
Kullmann: Vergütungsfragen und das Wertesystem des Unternehmens müssen aus einem Guss sein. Leistung ist in der Wirtschaft messbar: Am Ende des Tages zählt das Ergebnis. Mir ist aber auch der Weg zum Ziel wichtig. Unsere vier weltweit gültigen Konzernwerte sind Performance, Openness, Speed, Trust – Leistung, Offenheit, Tempo und Vertrauen.
Solche Werte sind schön und gut, sie müssen aber auch mit Leben gefüllt werden.
Kullmann: Daran arbeiten wir. Wir werden die Leistung steigern, klar und direkt miteinander sprechen und mehr Tempo entfalten. Und das alles in einem Umfeld, in dem sich die Menschen aufeinander verlassen können.
Ist Gründlichkeit nicht wichtiger als Schnelligkeit?
Kullmann: Gründlichkeit ist wichtig, gerade in unserer Industrie. Aber in manchen Bereichen sind wir noch zu bürokratisch. Wir müssen nicht über die siebte Stelle hinter dem Komma Stunden lang in großer Runde diskutieren. Sowas können wir schneller entscheiden.