Mülheim. . Tengelmann-Chef Christian Haub will seine neue Konzern-Holding mit einem neuen Team an den Start bringen. 250 Mitarbeiter verlieren ihre Stellen.

Acht Monate nach seinem Antritt als alleiniger geschäftsführender Gesellschafter verordnet Christian Haub der Mülheimer Tengelmann-Gruppe einen radikalen Umbau. Über Arbeitsplatzabbau und strategische Ziele sprach der 54-Jährige mit Frank Meßing.

WAZ: Herr Haub, nach mehr als 107 Jahren will Tengelmann seine Zentrale im Mülheimer Stadtteil Speldorf verlassen. Wie kommt es zu dieser Zäsur?

Christian Haub: Für uns als Familie ist das natürlich keine einfache Entscheidung. An der Wissollstraße hängen viele Erinnerungen. Als Kind habe ich in der Fabrik immer wieder Schokolade probiert. Wir können und wollen aber nicht in Tradition erstarren. Nach dem Verkauf unserer Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann steht ein großer Teil der Gebäude leer. Wir wollen aus dem Areal wieder etwas Vernünftiges machen.

WAZ: Im Technikum hat Ihre Familie eine beeindruckende Sammlung aus Fahrzeugen und Maschinen der 151-jährigen Unternehmensgeschichte ausgestellt. Wollen Sie dieses Veranstaltungszentrum auch aufgeben?

Haub: Dazu haben wir noch keine Entscheidung getroffen. Ich wünsche mir, dass wir eine historische Verbindung zu unsererm neuer neuen Zentrale schaffen können.

Christan Haub
Christan Haub

WAZ: Haben Sie schon einen Standort im Auge?

Haub: Nein. Unsere Gründungszentrale am Ruhrufer ist zu klein. Fest steht bislang nur, dass wir Mülheim verbunden bleiben wollen. Allerdings in einer ganz anderen Gestaltung. Bei der Standortsuche sind wir völlig offen. Wir wollen mit der neuen Holding 2020 starten. 2019 wird unser Jahr der Transformation.

WAZ: Welche Pläne gibt es für das alte Firmengelände?

Haub: Es wird ganz darauf ankommen, was die Stadt braucht. Die Nähe zur Hochschule Ruhr West ergibt vielleicht neue Möglichkeiten. Nach 30 Jahren in den USA nutze ich die Wochenenden, um das Umfeld zu erkunden und verstehen zu lernen.

WAZ: Haben Sie schon eine Wohnimmobilie in Deutschland gefunden?

Haub: Nein. Meine Frau und ich wollen aber im laufenden Jahr umziehen.

WAZ: Der Neustart von Tengelmann ist mit dem Abbau von fast 250 Arbeitsplätzen verbunden. Warum?

Haub: Unsere Beschäftigten haben lange und gut mit uns zusammengearbeitet. Nach dem Abschied vom Supermarktgeschäft hat die Holding nicht mehr so viele operative Aufgaben. Die neue Holding wird schlanker und auf die strategische Führung unserer Beteiligungsunternehmen ausgerichtet sein. Wir wollen uns aber auch weiterentwickeln und Übernahmechancen Chancen schneller nutzen als unsere Wettbewerber. Dafür brauchen wir speziell qualifizierte Mitarbeiter.

WAZ: Wird es betriebsbedingte Kündigungen geben?

Haub: Wir werden so fair und sozialverträglich mit unseren Mitarbeitern umgehen, wie es der 151-jährigen Historie von Tengelmann entspricht. Unsere Mitarbeiter haben jetzt mindestens neun Monate Zeit, sich auf die neue Situation vorzubereiten.

WAZ: Abseits der Holding sitzen auch Firmen wie Ihre Immobilientochter Trei oder Tengelmann Ventures im Gebäude der Zentrale. Wie sieht deren Zukunft aus?

Haub: Zusammen sind es rund 190 Arbeitsplätze. Die Geschäftsführungen unserer Unternehmen werden selbstständig über ihre künftigen Standorte entscheiden.

WAZ: Sie selbst wollen als Geschäftsführender Gesellschaft an der Spitze der neuen Holding stehen. Wird Tengelmann weiter eine Kommanditgesellschaft bleiben?

Haub: Darüber zu sprechen, ist noch viel zu früh. Mein Ziel ist es, das Unternehmen zehn bis zwölf Jahre zu führen und zukunftssicher an die sechste Generation, also an meine und die Kinder meiner Brüder zu übergeben. Durch die Digitalisierung und neue Konkurrenten wird der Veränderungsdruck vor allem im Einzelhandel nicht abnehmen. Zudem trübt sich die Konjunktur ein. Fest steht allerdings, dass wir Unternehmer bleiben und keine Finanzbeteiligungs-Holding sein werden. Die neue Holding soll auch weiterhin übergreifende Dienstleistungen für unsere Beteiligungsunternehmen erbringen.

WAZ: Ihre Familie hat den befreundeten Familienunternehmer Franz Markus Haniel als Aufseher in den Tengelmann-Beirat berufen. Könnte der Duisburger Traditionskonzern als Blaupause für die Neuaufstellung von Tengelmann dienen?

Haub: Wir haben nicht explizit nach einem Vorbild geschaut. Wir suchen nach einer Struktur, die am besten zu uns passt.

WAZ: Der Umwälzungsprozess bei Tengelmann kommt in seiner Wucht überraschend. Wäre er auch im Sinne Ihres seit April 2018 verschollenen Bruders Karl-Erivan Haub?

Haub: Wir haben uns beide seit Ende 2017 mit dem Umbau beschäftigt. Nach dem Verkauf von Kaiser’s Tengelmann war dieser Schritt einfach nötig, weil viele Aufgaben entfallen sind. Wir wollten unsere 150-Jahr-Feier abwarten. Ich knüpfe jetzt daran an, was mein Bruder vorbereitet hat. Wir sind noch relativ früh im Neustrukturierungsprozess. Uns war es aber wichtig, unsere Mitarbeiter frühzeitig das Grobkonzept zu informieren.