Berlin. . Ein neues Tarifeinheitsgesetz aus dem Hause von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) setzt Spartengewerkschaften Grenzen - diese drohen mit Verfassungsklagen. Arbeitgeberverbände begrüßen die Pläne dagegen, auch der DGB hat Einverständnis signalisiert.

Nach den massiven Streiks bei der Deutschen Bahn und der Lufthansa will die Bundesregierung kleinen Spartengewerkschaften jetzt enge Grenzen setzen: Die Macht von Organisationen wie der Lokführergewerkschaft GDL soll per Gesetz beschränkt werden – deren Streiks könnten von Gerichten leichter untersagt, Tarifverträge unwirksam werden. Die kleinen Gewerkschaften laufen Sturm und drohen der Regierung mit Verfassungsklagen. Für die aktuellen Konflikte kommt das lange geplante „Tarifeinheitsgesetz“ wohl zu spät – doch wenn es nach Plan im Sommer 2015 in Kraft tritt, gerät vor allem die GDL mit ihrem Expansionskurs in Schwierigkeiten.

Kernpunkt des Entwurfs, den Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) gestern vorstellte: Wenn in einem Betrieb in einer Berufsgruppe unterschiedliche Gewerkschaften um unterschiedliche Tarifverträge kämpfen und sich nicht einigen, soll am Ende das Mehrheitsprinzip gelten. Es würde auf Antrag per Gerichtsentscheid nur der Vertrag angewendet, den die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern im Betrieb abgeschlossen hat.

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Richter dürften Streiks als unverhältnismäßig untersagen

Bei der Bahn geht es genau um so einen Konflikt: Die GDL will auch für die bei ihr organisierten Zugbegleiter einen eigenen Tarifvertrag erkämpfen, doch für diese Gruppe hat bisher die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG die Verträge ausgehandelt. In der Mehrzahl der einzelnen Bahn-Betriebe wäre die GDL im Konfliktfall wohl unterlegen, heißt es in Regierungskreisen. Käme es in solchen Fällen künftig dennoch zu Streiks der kleineren Organisation, wären die Arbeitsgerichte am Zug. Die Richter dürften mit Blick auf die gar nicht wirksamen Tarifverträge die Streiks als unverhältnismäßig untersagen, wird in der Regierung kalkuliert.

„Ohne jede Chance auf einen wirksamen eigenen Tarifvertrag würden Minderheitsgewerkschaften im Betrieb zum Stillhalten gezwungen“, warnt der Chef der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Rudolf Henke. „Jeder Aufruf zum Streik wäre grob rechtswidrig.“

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Gewerkschaften sprechen von „Verfassungsbruch“

Nahles selbst deutet das Kalkül nur an: „Wenn Arbeitsgerichte künftig im Einzelfall einen Streik beurteilen, werden sie mit einbeziehen, ob der strittige Tarifvertrag überhaupt angewendet werden könnte.“ Mit diesem Vorgehen wähnt sich die Regierung auf der verfassungsrechtlich sicheren Seite, Innen- und Justizministerium haben noch vor dem Kabinettsbeschluss Anfang Dezember grünes Licht gegeben.

Nahles meint, das Gesetz greife nur als letztes Mittel, wenn die Tarifpartner eine Verständigung etwa auf abgegrenzte Zuständigkeiten oder gemeinsame Verhandlungen nicht erreichten. Nach Lesart des Arbeitsministeriums wäre der Pilotenstreik bei der Lufthansa nicht von dem Gesetz betroffen, weil dort kein Streit um Zuständigkeiten von Gewerkschaften ausgetragen wird.

Doch die Pilotenvereinigung Cockpit warnt, Nahles wolle Rechtsunsicherheit schüren und kleine Gewerkschaften handlungsunfähig machen. Der Beamtenbund spricht ebenso wie der Marburger Bund von geplantem Verfassungsbruch. Arbeitgeberverbände begrüßen die Pläne dagegen, auch der DGB hat Einverständnis signalisiert.