Essen. Angesichts der wachsenden Zahl von Asylsuchenden fordern Experten von der Bundesregierung einen grundlegenden Wandel ihrer Flüchtlingspolitik. Statt Menschen zu einer lebensgefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer zu zwingen, fordern sie legale Wege, um Fachkräfte zu gewinnen.

Eine Studie der Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung fordert jetzt "ein strategisches Konzept einer Asyl-, Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik", das nicht nur flexibel auf Krisen reagiert, sondern "den steigenden Bedarf der eigenen Arbeitsmärkte deckt".

Es seien nicht die ärmsten Menschen, die sich auf den gefährlichen Weg nach Europa machen, so die Studie, "sondern diejenigen, die dafür über das notwendige Wissen, die Mittel und die Möglichkeiten" verfügten. "Die Migranten aus Afrika und dem Nahen Osten stammen deshalb kaum aus der armen Landbevölkerung, sondern aus der besser gebildeten Mittelschicht der Städte", sagt Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts.

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Viele junge Menschen sehen in ihrer Heimat keine Zukunfts-Chancen, und die Wirtschaftslage in den Staaten südlich des Mittelmeeres lasse keine Verminderung des Auswanderungsdrucks erwarten, so Klingholz.

"Müssen uns in Europa auf höhere Flüchtlingszahlen einstellen"

Aktuelle Flüchtlingszahlen unterstreichen den Handlungsbedarf. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wurden im Laufe dieses Jahres 136.039 Asylanträge gestellt – im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 59,4 Prozent. Die meisten Menschen kamen aus Syrien, Serbien, Eritrea und Afghanistan. Bis zum Jahresende rechnen die Behörden mit deutlich mehr als 200.000 Asylsuchenden.

Eine Ende des wachsenden Zustroms sei kurzfristig kaum zu erwarten. "Wir müssen uns in Europa auf höhere Flüchtlingszahlen einstellen. Auch an Deutschland wird diese Entwicklung nicht vorbeigehen", sagt die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Staatsministein Aydan Özoguz (SPD), zur WAZ. Sie betont, dass es derzeit "keine legalen Einreisemöglichkeiten gibt", weshalb die Menschen den "hochgefährlichen Weg über das Meer" antreten müssten.

Europas Flüchtlingspolitik funktioniere nicht. Von 28 EU-Staaten beteiligten sich "18 Staaten fast gar nicht bei der Aufnahme", so Özuguz. Wie das Berlin-Institut fordert auch sie: "Wir müssen zu einem solidarischen und gerechten europäischen Asylsystem kommen."