Essen. Das hiesige Handwerk erlebt seit fünf Jahren ein erstaunliches Comeback, doch das wird durch zunehmenden Nachwuchsmangel nun gefährdet. Die Handwerksbetriebe an Rhein und Ruhr konnten zum neuen Ausbildungsjahr deutlich mehr Lehrstellen nicht besetzen als vor einem Jahr.

Wie groß der Mangel an Azubis im Handwerk ist, zeigt die Statistik: Ende September waren etwa im Kammerbezirk Düsseldorf, zu dem auch das westliche Ruhrgebiet gehört, noch 645 Ausbildungsplätze unbesetzt – doppelt so viele wie im September 2013. Im Kammerbezirk Dortmund für das östliche Ruhrgebiet stieg die Zahl der unbesetzten Stellen von 140 auf 240. Bundesweit sind laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) mit 20 000 Stellen ein Drittel mehr offen als vor einem Jahr. Grund ist, dass die Betriebe in diesem Jahr mehr Stellen anbieten, damit aber auf weniger Bewerber treffen. Und in den kommenden Jahren werden es immer weniger Schulabgänger.

Der Aufschwung der alten Berufe ist in Gefahr

Tatsächlich ist das Nachwuchsproblem noch weit größer, denn den Kammern werden bei weitem nicht alle offenen Stellen gemeldet. Betriebe, die für einen Platz bis September keinen Bewerber gefunden haben, geben die Suche laut ZDH häufig frustriert auf. Dabei können die Stellen auch nach Beginn des Ausbildungsjahres noch besetzt werden. „Die Nachvermittlung läuft bis Dezember“, wirbt Alexander Konrad von der Handwerkskammer Düsseldorf.

Der Nachwuchsmangel kommt gerade im Handwerk zur Unzeit. Nach vielen dürren Jahren steigt seit 2009 in NRW die Zahl der Handwerksunternehmen wieder an – auf zuletzt 187 000. Sie geben 1,1 Millionen Menschen Arbeit. Doch der Aufschwung der alten Berufe ist in Gefahr: Allein im Kammerbezirk Düsseldorf suchen 9000 Betriebsinhaber Nachfolger.

„Wenn mehr als die Hälfte eines Jahrgangs zur Uni geht, dann stimmt etwas nicht“

Deshalb fordert die Branche eine Aufwertung der Meisterberufe gegenüber dem Studium. „Wenn mehr als die Hälfte eines Jahrgangs zur Uni geht, dann stimmt etwas nicht“, heißt es beim ZDH. Die Kammer Düsseldorf fordert, es müsse an den Gymnasien vermittelt werden, dass auch leistungsstarke Schüler im Handwerk glücklich werden könnten. „Die berufliche Bildung ist gleichwertig der akademischen und muss wieder an Boden gewinnen“, sagte Handwerks-Präsident Hans Peter Wollseifer unserer Redaktion. Viele Jugendliche seien „falsch beraten“.

Entsprechend positiv bewertete das Handwerk die gestrige Ankündigung des Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD), neben dem Bafög für Studenten auch das Meisterbafög erhöhen zu wollen. Der Meister stehe auf einer Stufe mit einem Bachelor-Abschluss an der Uni, das müsse sich dann auch in der Förderung widerspiegeln, sagte ein ZDH-Sprecher.