Essen. . Friedrich P. Kötter, Chef des familiengeführten Sicherheitsunternehmens mit 15.500 Beschäftigten, fordert für Berufseinsteiger eine Prüfung vor der IHK. Im Interview lehnt er einen flächendeckenden Mindestlohn für seine Branche von 8,50 Euro ab.
Das Sicherheitsunternehmen Kötter bewacht Atomkraftwerke, kontrolliert Fluggäste und betreibt sogar ein Gefängnis. Über Verantwortung, Fehlerquellen und die als zu niedrig kritisierten Löhne sprach Ulf Meinke mit Unternehmenschef Friedrich P. Kötter (47).
Herr Kötter, wie sicher ist Deutschland?
Friedrich P. Kötter: Grundsätzlich ist Deutschland eines der sichersten Länder der Welt.
Trotzdem verzeichnet die Sicherheitsbranche Zuwächse.
Kötter: Es gibt ein wachsendes Sicherheitsbedürfnis. Das ist verständlich. Der Staat baut Personal ab, aber es gibt nicht weniger Menschen, die etwas zu schützen haben. Die Einbruchzahlen sind zuletzt wieder nach oben geschnellt. Auch die Wirtschafts- und Internetkriminalität bereitet Sorge.
Kötter hat mit rund 15.500 Beschäftigten schon fast so viele Mitarbeiter wie Karstadt. Profitieren Sie als Sicherheitsfirma von der Unsicherheit der Menschen?
Kötter: Unser Wachstum hat verschiedene Gründe. In den letzten fünf Jahren haben wir im Schnitt pro Jahr um sechs Prozent zugelegt. Einen überdurchschnittlichen Anstieg verzeichnen wir im Security-Bereich, unter anderem bei Sicherheitstechnik wie der Videoüberwachung oder Zutrittskontrollen. Viele Unternehmen kümmern sich nicht mehr selbst um den Objekt- oder Werkschutz und übergeben uns diese Tätigkeiten. Dies zeigt, welche Bedeutung gerade die Industrie für uns hat.
Sie bewachen Atomkraftwerke, sind für die Personenkontrollen am Flughafen Düsseldorf zuständig, betreiben sogar im staatlichen Auftrag ein Gefängnis in Burg bei Magdeburg. Lassen sich angesichts der Fülle von Aufgaben Sicherheitslücken überhaupt ausschließen?
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Kötter: Wir sind uns der Verantwortung bewusst. Eine gute Schulung unserer Mitarbeiter spielt für uns eine zentrale Rolle. Der einfache Wachmann hat ausgedient. Gerade das Beispiel der Justizvollzugsanstalt Burg zeigt, dass öffentlich-private Partnerschaften gut sind für beide Seiten. Der Staat kann Einsparungen erzielen und die Qualität dabei noch verbessern. Und bekommt genau das, was er bestellt hat.
Im baden-württembergischen Offenburg ist die Teilprivatisierung eines Gefängnisses unter ihrer Regie aber gescheitert.
Kötter: Nach dem Regierungswechsel 2011 wurde der Auftrag gekündigt. Grüne und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, dass Gefängnisse nicht mehr mit Privaten geführt werden sollten. Das haben wir zu akzeptieren, auch wenn wir die Entscheidung bedauern, denn wir haben gute Leistung abgeliefert.
Sie haben in Essen auch eine Art unternehmensinternes Job-Center. Wer kommt zu Ihnen?
Kötter: Die Branche lebt von Quereinsteigern. Das kann ein gelernter Bäcker oder Bergmann sein, auch der eine oder andere ehemalige Opelaner …
…der sich bei Ihnen aber auf Lohneinbußen gefasst machen muss.
Kötter: Tariflöhne wie in der Autobranche sind bei uns eher die Ausnahme. Das stimmt. Unsere tariflichen Einstiegslöhne liegen zum Beispiel in NRW bei neun Euro pro Stunde und steigern sich dann auf bis zu 15 Euro. Für Tätigkeiten mit besonderer Qualifikation zahlen wir auch mehr als 15 Euro plus Zuschläge.
In der Vergangenheit haben Sie einmal einen Mindestlohn für die Branche gefordert.
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Kötter: Dieser ist Ende 2013 ausgelaufen, derzeit hat unsere Branche keinen spezifischen gesetzlichen Mindestlohn. Das ist bedauerlich. Den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro lehnen wir aber ab. Denn die Lage in den Bundesländern ist sehr unterschiedlich. 8,50 Euro sind in NRW in Ordnung, in Bayern oder Baden-Württemberg gegebenenfalls zu wenig, in den neuen Ländern aber zu viel. Hier kann der flächendeckende Mindestlohn Arbeitsplätze vernichten.
Die Sicherheitsbranche hat nicht den besten Ruf. Warum?
Kötter: Es gibt immer mehr schwarze Schafe in der Branche. Lohndumping und die Vergabe von Aufträgen an unseriöse Subunternehmen oder sogar Scheinselbstständige sind keine Seltenheit. Wenn ein Mitarbeiter von seiner Tätigkeit nicht satt werden kann und zusätzlich noch Nebenjobs erledigen muss, können Sicherheitslücken entstehen. Probleme entstehen auch, wenn Unternehmen, die unsauber zu Werke gehen, am Ende nicht mehr wissen, welcher Mitarbeiter überhaupt für die Sicherheit eines Kunden zuständig ist.
Müssen die Mindeststandards erhöht werden?
Kötter: Ja. Wir sollten beim Einstieg in den Beruf ansetzen. In der Regel werden die Mitarbeiter von den Unternehmen selbst angelernt. Wer einsteigen möchte, muss derzeit einen 40-stündige Unterrichtung bei der Industrie- und Handelskammer absolviert haben. Wohlgemerkt: Wir reden von einem Sitzschein. Eine Abschlussprüfung gibt es nicht. Ob ein Teilnehmer geschlafen hat oder aufmerksam war, spielt keine Rolle. Daher fordern wir eine Ausweitung auf 80 Stunden mit einer Prüfung. Die Gewerbeordnung sollte entsprechend verändert werden.