Gera. . In Gera, der drittgrößten Stadt Thüringens, haben die Stadtwerke Insolvenz angemeldet. Die Aktiengesellschaft, deren Anteile allein die 95 000-Einwohner-Stadt hält, sollte durch Überschüsse bei der Energieversorgung den Nahverkehr und einen Flugplatz subventionieren. Das Konzept ging nicht auf.
Was bislang in Deutschland als undenkbar galt, ist nun erstmals eingetreten: In Gera, der drittgrößten Stadt Thüringens, haben die Stadtwerke Insolvenz angemeldet. Die Aktiengesellschaft, deren Anteile allein die 95 000-Einwohner-Stadt hält, sollte durch Überschüsse bei der Energieversorgung den Nahverkehr und einen Flugplatz subventionieren. Doch das Konzept ging nicht auf. Hunderte Mitarbeiter bangen um ihre Jobs.
Der Verkehrsbetrieb benötigt einen jährlichen Zuschuss von 4,4 Millionen Euro; der Flugplatz etwa 150 000 Euro. Diese Beträge sollten die anderen Tochterunternehmen der Stadtwerke wie etwa ein Energieversorger und ein Wohnungsanbieter als Überschüsse erwirtschaften. Das gelang aber nur über wenige Jahre – zumal die Stadtwerke die Erlöse der gewinnbringenden Töchter mit den anderen Gesellschaftern teilen mussten.
Konstruktionsfehler im Vertrag
So ist beispielsweise an der Energieversorgung der französische Konzern GDF Suez mit 49,9 Prozent beteiligt. Ein Konstruktionsfehler liegt im Vertrag mit dem Anbieter. Um den Preis für die Anteile in die Höhe zu treiben, ließen sich die Stadtväter auf folgende Klausel ein: Gewinne werden geteilt, aber Bilanzverluste müssen allein die Stadtwerke liquiditätswirksam ausgleichen.
Das fiel dem Stadtwerke-Konzern 13 Jahre nach Vertragsabschluss vor die Füße. Hintergrund ist eine Sonderabschreibung auf das Gaskraftwerk, das wegen der geringeren Marge infolge des hohen Gaspreises und des Vorrangs der Erneuerbaren Energien an Wert verloren hat. Aus den korrigierten Bilanzwerten ergab sich eine Forderung von 18 Millionen Euro an die Stadtwerke. Weil zugleich der Kredit einer Sparkasse aus Nordrhein-Westfalen fällig wurde und die klamme Stadt einen Verkauf des Wohnungsanbieters verhinderte, blieb nur der Gang zum Amtsgericht.
Tiefe Einschnitte bei städtischen Töchtern
Der vorläufige Insolvenzverwalter Michael Jaffé aus München, der einst das Insolvenzverfahren von Kirch-Media betreut hat, setzt auf eine Sanierung der Stadtwerke Gera AG, in deren Sogwelle auch der Verkehrsbetrieb und die Flugbetriebsgesellschaft Insolvenz anmelden mussten. Vorerst rollen Busse und Bahnen unverändert weiter, aber Jaffé arbeitet an Sparkonzepten. Unter anderem sollen die Stadtbahnen auf der Hauptlinie nicht mehr im Fünf-Minuten-Takt rollen. Außerdem plant er einen Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft. Die profitablen Töchter wie der Energieversorger oder die Müllabfuhr sind nicht von der Insolvenz betroffen.