Essen. .

Der plötzliche Abgang von der Karstadt-Kurzzeitchefin Eva-Lotta Sjöstedt wirft Fragen auf. Die ungewöhnliche scharfe Abrechnung der schwedischen Managerin mit dem einst als Wohltäter gefeierten Investor Nicolas Berggruen schürt auch Sorgen um die Zukunft der Warenhauskette. „Was es jetzt dringender denn je braucht, sind Sicherheit, Klarheit und Transparenz für die Beschäftigten, nötige Investitionen in die Standorte und ein klares Zukunftskonzept, das auch die Menschen bei Karstadt im Blick hat“, fordert Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger im Gespräch mit dieser Zeitung. All das seien Berggruen und der österreichische Investor René Benko, dem mit seiner Signa-Gruppe zahlreiche Karstadt-Immobilien sowie die Sport- und Luxwarenhäuser gehören, bislang schuldig geblieben. „Das ist eine unerträgliche Hängepartie – und eine zermürbende Situation für die Beschäftigten“, so Nutzenberger.

Äußerungen von Karstadt-Aufsichtsratchef Stephan Fanderl legen nahe, dass nun scharfe Einschnitte in dem Unternehmen mit seinen rund 17 000 Beschäftigten bevorstehen. Man werde die Sanierung von Karstadt „entschlossen und unverzüglich“ angehen, hatte der Manager angekündigt, ohne Einzelheiten zu nennen.

Bereits Anfang des Jahres hatte Fanderl gesagt, jedes einzelne Warenhaus von Karstadt werde auf den Prüfstand gestellt. Das Management solle sich „im Schulterschluss mit den Arbeitnehmervertretern“ anschauen, welche der Filialen zügig wieder auf eine positive Bahn zu bekommen seien – „und welche Häuser trotz aller gemeinsamen Bemühungen nicht zu drehen sind“, sagte er der Zeitung „Die Welt“. Eigentlich sollte ein entsprechender Plan innnerhalb von zwei bis drei Monaten stehen. Doch mittlerweile sind mehr als fünf Monate vergangen – und die Chefin, die handeln sollte, ist weg.

Auf die Frage, ob nun Personalabbau oder Filialschließungen drohen, antwortet Verdi-Vorstandsmitglied Nutzenberger: „Die Karstadt-Beschäftigten haben in den letzten zehn Jahren und über vier Sanierungstarifverträge auf rund 700 Millionen Euro verzichtet und so zur Sanierung von Karstadt beigetragen. Dafür wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jetzt auf der Eigentümerseite Taten sehen: Ein gutes Konzept, um Karstadt zukunftssicher zu machen und um Arbeitsplätze und Filialen zu erhalten – allein darum muss es jetzt gehen.“ Zunächst einmal sollen Finanzchef Miguel Müllenbach und Arbeitsdirektor Kai-Uwe Weitz die Karstadt-Führung übernehmen. Es wird auch spekuliert der ehemalige Rewe-Manager Fanderl könnte selbst an die Spitze der Karstadt-Geschäftsführung rücken. Fanderl wurde in der Vergangenheit auch schon als möglicher Retter der später untergegangenen Drogeriekette Schlecker gehandelt.

Die Suche nach einem Nachfolger für die frühere Ikea-Managerin Sjöstedt dürfte sich ohnehin äußert schwierig gestalten. „Potenzielle Kandidaten können eigentlich nur noch einen großen Bogen um Karstadt machen, denn man kann nichts ausrichten“, urteilt der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein.

Da in Deutschland nur noch zwei Warenhausketten existieren, gerät fast automatisch auch die Metro-Tochterfirma Kaufhof in den Fokus, wenn es Karstadt schlecht geht. Während Karstadt seit geraumer Zeit Verluste schreibt, verbucht Kaufhof ordentliche Gewinne.

Die Gewerkschaft Verdi jedenfalls spricht sich offen gegen einen Zusammenschluss der Kaufhaus-Konzerne aus. „Wenn Warenhäuser aufgrund einer Fusion dicht gemacht würden, bestünde die Gefahr, dass tausende Menschen ihre berufliche Existenz verlieren“, sagt Nutzenberger. „Außerdem trüge das in erheblichem Maße zur Verödung der Innenstädte bei und Kundinnen und Kunden verlieren Angebotsvielfalt.“

Immer wieder fällt auch der Name Signa, wenn über Zukunftsmodelle für Karstadt spekuliert wird. Signa hatte unter Führung von René Benko im September vergangenen Jahres bereits die Mehrheit an den 28 Karstadt-Sporthäusern sowie an den Luxuskaufhäusern KaDeWe (Berlin), Alsterhaus (Hamburg) und Oberpollinger (München) übernommen. In der Vergangenheit wollte Signa auch die Kette Kaufhof übernehmen, scheiterte allerdings kurz vor dem Ziel. Signa verfügt auch über die Option, Berggruen für den symbolischen Betrag von einem Euro knapp mehr als 75 Prozent der Anteile an den 83 Karstadt-Warenhäusern abkaufen zu können.