Frankfurt/Main. .
Die EZB hat geliefert: Geld ist billig wie nie - und daran wird sich so schnell nichts ändern. Das marode Bankensystem wird erneut mit Milliarden geflutet. Die Probleme, die in die Krise führten, löst das nicht. Aber es verschafft der Politik Zeit für wichtige Reformen.
Mit einem beispiellosen Anti-Krisen-Paket hält EZB-Präsident Mario Draghi Europas Wirtschaft am Laufen. Die Furcht vor einem Kollaps des Euroraums ist überwunden. Schon fordern Politiker „mehr Flexibilität“ beim Abbau der gigantischen staatlichen Schuldenberge.
Vor dem EU-Gipfel in der vergangenen Woche hatten Europas Sozialdemokraten im Gegenzug für Reformen mehr Zeit beim Defizitabbau verlangt - mit Erfolg. Zwar wollen sich die EU-Staatenlenker weiter an die Stabilitätsregeln halten. Die im Pakt eingebaute Flexibilität soll aber zugleich „bestens“ genutzt werden. Das bedeutet beispielsweise, dass Defizitsündern mehr Spielraum gegeben wird.
Wachstum und Beschäftigung hätten Priorität, sagt etwa Frankreichs Staatschef François Hollande. Auch Italiens Regierungschef Matteo Renzi will „mehr Spielräume für Wachstum“. Denn die Europawahlen mit den deutlichen Zugewinnen eurokritischer Parteien haben gezeigt: Die Bürger haben die Nase voll von der strengen Sparpolitik und der hohen Arbeitslosigkeit.
Auf Schulden gibt es kein Wachstum
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann warnt jedoch vor jeglicher Aufweichung des Euro-Stabilitätspakts. „Die trügerische Ruhe an den Finanzmärkten birgt die Gefahr, die Lehren aus der Krise für die öffentlichen Haushalte schon wieder zu vergessen. Das aber wäre fatal“, mahnt Deutschlands Vertreter im EZB-Rat in einem Gastbeitrag in der „Süddeutschen Zeitung“. Vor der EZB-Sitzung am Donnerstag (3. Juli) betont er: „Auf einem Berg von privaten oder öffentlichen Schulden lässt sich kein nachhaltiges Wirtschaftswachstum gründen.“
Auch Draghi weiß: Die EZB hat - einmal mehr - nur Zeit gekauft. Unter seiner Ägide haben Europas Währungshüter die Zinsen im Euroraum praktisch abgeschafft. Um die Kreditvergabe anzukurbeln und so die Konjunktur in Schwung zu bringen, fließen abermals bis zu 400 Milliarden Euro in den kriselnden Bankenmarkt. Dieses Programm läuft erst in vier Jahren aus. „Das zeigt, dass die Zinsen für einen längeren Zeitraum niedrig bleiben werden“, sagte der Italiener kürzlich der niederländischen Zeitung „De Telegraaf“.
Und Draghi ergänzte: „Wir haben den unbegrenzten Zugang der Banken zu Liquidität bis Ende 2016 verlängert. Das ist ein Signal.“
Doch über Jahrzehnte angehäufte staatliche Schuldenberge verschwinden ebenso wenig über Nacht, wie Unternehmen konkurrenzfähige Produkte auf den Markt bringen. Die EZB kann die Probleme nicht lösen, die die Währungsunion an den Rand des Zusammenbruchs gebracht haben.
Scheinwelt der Notenbanken
Eugen Keller und Sebastian Sachs vom Bankhaus Metzler schreiben von einer „Scheinwelt der Notenbanken“: „Die Wirtschaft bekommt nur noch mit höherem Kreditwachstum ein gutes Tempo, doch damit wachsen die Risiken im Bankensystem, die es ja eigentlich zu bereinigen gilt.“
Kritiker warnen: Die ultralockere Geldpolitik der EZB verleite Banken und Staaten geradezu zur Nachlässigkeit. Schließlich stehe ihnen die Notenbank mit noch billigerem Geld zur Seite. „Die künstlich gesenkten Zinsen verleiten die Schuldenländer, noch mehr Schulden zu machen“, sagte Ifo-Chef Hans-Werner Sinn dem „Handelsblatt“.
Draghi kennt das Problem und mahnt die Regierungen regelmäßig, ihre Fortschritte nicht gleich wieder zu verspielen.
Er betont aber auch, die EZB sei nicht verantwortlich dafür, wie Politiker die Zeit, die die EZB ihnen kauft, nutzten.