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Wenn nach den Sommerferien die Schule wieder beginnt, brauchen die Schüler Tausende neuer Schulbücher. Von dem Millionen-Markt würde gern auch der lokale Buchhandel profitieren, der aufgrund der wachsenden Internet-Konkurrenz unter Druck steht. Doch viele Städte als Schulträger schreiben die lukrativen Aufträge europaweit aus. Mit der Folge, dass Bücher zum Teil aus Hamburg und München ins Ruhrgebiet gekarrt werden.
Der Anstoß, lokale Läden zu fördern, kommt vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Er hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das zu dem Ergebnis kommt, dass es keine vergaberechtlichen Bedenken gegen eine dezentrale Beschaffung von Schulbüchern gebe. „Städte können Schulen ein eigenes Budget geben. Dieser Trend ist auf dem Vormarsch“, sagt Christian Sprang, Rechtsexperte beim Börsenverein.
Festhalten am Vergaberecht
Das vereinfachte Verfahren nutzt etwa Bochum seit dem Schuljahr 2006/07. „Das ist ein großer Erfolg“, sagt Stadtsprecher Thomas Sprenger. Seither bestellt die Verwaltung nicht mehr zentral die Bücher. Die Schulen erhalten ein Budget und holen sich drei bis fünf Angebote herein – auch von Händlern und Verlagen aus dem Ruhrgebiet. Welcher Bieter den Zuschlag erhält, entscheidet das Los. Denn Preisunterschiede bei Schulbüchern gibt es aufgrund des geltenden Preisbindungsgesetzes nicht.
Händler um die Ecke versuchen stattdessen, mit Service zu punkten. „Wir nehmen zu viel bestellte Bücher zurück, wenn Klassen kleiner werden als geplant“, sagt die Mülheimer Buchhändlerin Ursula Hilberath. Mit diesem und anderen Argumenten drang sie in der Verwaltung ihrer Heimatstadt allerdings bislang nicht durch. Mülheim beharrt weiterhin auf einer europaweiten Ausschreibung, die für alle Auftragsvergaben über 200 000 Euro gesetzlich vorgeschrieben ist. Stadtdirektor Frank Steinfort befürchtet einen Verstoß gegen das Vergaberecht, sollte Mülheim auf das vereinfachte Verfahren umschalten. „Wenn einige andere Städte andere Wege gehen, so können wir dies rechtlich nicht nachvollziehen“, sagt der Rechtsdezernent. Und er hat ausgerechnet: „Die Übertragung der Aufgaben auf die Schulsekretärinnen würde bei uns zu einer Verschlechterung der Rabattierung führen. Das wären jährliche Mehrkosten von rund 15 000 Euro. Es ist zudem zweifelhaft, ob die Stadt die Schulsekretärinnen personalkostenneutral mit der neuen Aufgabe betreuen könnte.“
In der Tat: Überschreitet der Gesamtwert der Bestellung 50 000 Euro, erhält die Stadt 15 Prozent Nachlass. Ordern einzelne Schulen kleinere Mengen, beträgt der Rabatt nur zwölf Prozent. Bei einem jährlichen Mülheimer Gesamtbudget von einer halben Million Euro für Schulbücher macht sich die Differenz durchaus bemerkbar. Nach Angaben des Verbands Bildungsmedien, in dem 85 Verlage organisiert sind, betrug der Umsatz mit Büchern, Atlanten und Formelsammlungen für allgemeinbildende Schulen im Jahr 2013 bundesweit 301 Millionen Euro. Hinzu kamen 49 Millionen Euro für Medien, die berufliche Schulen bestellten.
Mehr Steuereinnahmen möglich
Händlerin Hilberath hält der Bewertung aus dem Mülheimer Rathaus entgegen, dass die europaweite Ausschreibung an sich die Stadt Geld koste. Und sie macht die Rechnung auf, dass mit dem Schulbuchumsatz rund 60 000 Euro Gewinn in den örtlichen Buchhandlungen versteuert würden. Auch über die Gewerbesteuer würden dann wieder rund 10 000 Euro an die Stadt zurückfließen. „Das ist fast ein Nullsummenspiel“, meint die Händlerin. Und sie weist darauf hin, dass der örtliche Buchhandel ein Wirtschaftsfaktor in der Stadt sei, der Steuern zahle, Praktikumsplätze bereit stelle und kulturelle Veranstaltungen anbiete.