Dortmund. Der Vorsitzende der AOK-Nordwest, Martin Litsch, fordert, dass Krankenhäuser und Landärzte enger zusammenarbeiten - über bisherige Strukturgrenzen hinaus. Komplizierte Operationen dagegen wären nicht Aufgabe der kleineren Häuser.
Die AOK Nordwest, hervorgegangen aus der AOK Westfalen-Lippe, ist die größte Kasse in Westfalen. Wir sprachen mit dem Vorstandsvorsitzenden Martin Litsch über Krankenhäuser über die Versorgung auf dem Land durch Krankenhäuser und Ärzte.
Frage: Die medizinische Versorgung auf dem Land ist ein großes Thema. Wie sehen Sie das?
Martin Litsch: Da kommt was auf uns zu, dem wir uns stellen müssen. Was man aber sehen muss: Das ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess. Es gibt auch weniger Schulen, Bäcker oder Metzger auf dem Land. Das kann man bedauern, aber man darf es nicht ignorieren. Auch die Mobilität ist größer geworden.
Gerade kranke Menschen sind weniger mobil!
Das ist richtig. Ein Patentrezept gibt es leider nicht. Was wir brauchen, ist eine Mischung aus verschiedenen Elementen. Natürlich müssen wir auch die Mobilität erhöhen. So wie Schüler zur Schule gefahren werden, muss der Arzt in die Dörfer kommen. Wir haben genug Ärzte, sie sind aber völlig falsch verteilt, in der Stadt ein Überangebot, auf dem Land immer mehr Mangel, immer mehr Fachärzte, immer weniger Hausärzte. Es braucht Anreize, aber auch Lenkung Höhere Vergütungen für Hausärzte auf dem Land, wie es der Sachverständigenrat vorschlägt, sind das eine. Gleichzeitig müssen wir die Überversorgung abbauen, die es in Städten gibt. Die Kassenärztlichen Vereinigungen müssen freiwerdende Arztsitze aufkaufen und diese auf dem Land öffnen. Darüber hinaus brauchen wir andere Beschäftigungsverhältnisse: Viele Ärzte wollen sich nicht mehr niederlassen, sondern angestellt sein. Dann kommen wir zu einem Hausarzt, der vielleicht nur an drei Tagen die Woche Sprechstunde hat, oder an drei Vormittagen – weil ein Dorf allein den Arzt nicht mehr ernähren kann.
Wie sieht es mit den Krankenhäusern aus?
Wir müssen auch mehr über die Zusammenarbeit von Ärzten und Krankenhäusern reden. Wir haben zum Beispiel eine Notfallversorgung der Krankenhäuser und eine ambulante Notfallversorgung. Dafür gibt es gute Gründe, aber wir sind jetzt in einer Situation, wo wir die Kräfte bündeln müssten, gerade auf dem Land. Wir bräuchten hier eine höhere Integration, aber das scheitert an den Finanzierungsstrukturen. Es wäre ja auf dem Land häufig sinnvoll, wenn niedergelassene Ärzte Krankenhausleistungen erbringen könnten und Krankenhausärzte ambulante Leistungen, gerade in der Notfallversorgung.
Sehen Sie da Bewegung?
Bewegung entsteht durch Druck; Druck entsteht, wenn das Geld fehlt. Und das ist jetzt mehr und mehr der Fall. Im Moment haben die Landkrankenhäuser das Problem, dass sie sich häufig unterfinanziert fühlen, und die KV hat das Problem, dass sie keine Ärzte auf das Land bekommt. Wenn man die Strukturen zusammenlegte, könnte man etwas bewegen.
In welche Richtung?
Wir müssten dafür sorgen, das Landkrankenhäuser finanziert werden für Krankheiten der Grundversorgung; dann brauchen wir aber auch nur diese Strukturen zu unterhalten. Ich brauche eine Chirurgie, eine Innere Station - so etwas. Wenn ich aber ein kompliziertes gastroenterologisches Problem habe, benötige ich dafür eine spezialisierte Klinik. Die brauche ich nicht auf dem Land. Bei den Ärzten haben wir eine solche abgestufte Versorgung bereits, bei den Krankenhäusern sind wir da meilenwert entfernt.
Warum?
Krankenhäuser wollen das tun, was ihnen hohe Deckungsbeiträge bringt. Mit Versorgung und Qualität hat das aber nicht unbedingt etwas zu tun. Die Krankenhäuser müssten in den ländlichen Regionen eine Grundversorgung leisten, eng abgestimmt mit der ambulanten Versorgung. Was wir dort nicht brauchen, sind Herzoperationen oder Knie-Endoprothetik.
Was spricht dagegen, das zu tun?
Änderungen in einem Krankenhaus verlangen die Bereitschaft des Trägers mitzumachen. Die personellen Folgen werden in den Häusern für Unruhe sorgen. Schon baulich sind die Krankenhäuser darauf gar nicht eingerichtet. Und sie haben nicht das notwendige Geld und bekommen es auch nicht, um um- und abzubauen.
Und strukturell?
Das Land ist für die Krankenhausplanung zuständig. Da spielen dann viele regionale und lokale politische Interessen eine Rolle. Krankenhäuser sind ja wichtige Arbeitgeber vor Ort. Es geht also nur, wenn alle gemeinsam vorgehen: Das Land, die Kassen und die Ärzte. Hilfreich wäre ein Fonds mit Mitteln zur Förderung des Umbaus.
Wird das funktionieren?
Das wird schwierig. Letztlich wäre es sinnvoll, dass die Kassen die komplette Finanzierung der Krankenhäuser übernehmen, also auch die Investitionen, für die heute formal das Land zuständig ist, das seine Aufgabe aber nur unvollständig wahrnimmt. Dass sich hier etwas ändert, sehe ich nicht.