Dortmund. . An die 60 000 alte Stollen soll es im südlichen Ruhrgebiet geben. Das schätzt die Bergaufsicht NRW. Mit dem neuen Behördenchef Friedrich Wilhelm Wagner sprachen wir über alte Löcher, neue Bohrungen und die Chancen der Energiewende.

Der Wandteppich zeigt bergmännische Motive. Das gute Stück, ein Geschenk der Stadt Aachen an das damalige Oberbergamt, verleiht dem alten Sitzungssaal in Dortmund historische Würde. Doch Tradition ist nicht alles in der Abteilung für Bergbau und Energie in NRW, der obersten Bergaufsicht des Landes. „Wir sind eine Zukunftsbehörde“, sagt Friedrich Wilhelm Wagner. Seit April ist der Bergassessor hier neuer Chef. Ein Gespräch über alte Löcher, neue Bohrungen und die Chancen der Energiewende.

Herr Wagner, es heißt, der Boden unter dem Ruhrgebiet sei durchlöchert wie ein Schweizer Käse?

Wagner: Für das südliche Ruhrgebiet ist das zutreffend. Im Norden, wo der moderne Bergbau viel tiefer in die Erde ging, sollten Bergschäden nach zehn Jahren komplett abgeklungen sein. Tagesbrüche treten dort gar nicht auf. Die Problemzonen liegen da, wo nur bis 50 Meter Tiefe abgebaut wurde.

Als Bergaufsichtsbehörde müssen Sie den Überblick haben: Wie groß ist dieser Schweizer Käse?

Wir haben 27 000 sogenannte Tagesöffnungen im südlichen Ruhrgebiet erfasst. Die Dunkelziffer illegaler Stollen liegt noch mal genau so hoch. Insgesamt reden wir also über bis zu 60 000 Fälle.

Eine gigantische Zahl.

Und ein Zukunftsprojekt unserer Behörde. Es wird Jahrzehnte dauern, bis die Öffnungen verfüllt sind.

Derzeit sieht es so aus, als häuften sich die Fälle von Bergbauschäden.

Das kann an der Standfestigkeit der alten Gruben liegen, die sich dem Ende zuneigt. Früher wurden Stollen mit Eichenbohlen und Wackersteinen gesichert. Das war durchaus fachmännisch, hält aber nicht ewig. Ein weiteres Problem für Altstollen, die unter unseren Hauptverkehrsachsen verlaufen, ist die enorme Zunahme des Straßenverkehrs in den letzten Jahren.

Verlieren Sie nicht den Überblick bei so vielen Fällen?

Wir haben eine Prioritätenliste. Derzeit lassen wir an 40 Stellen im Ruhrgebiet präventiv verfüllen.

Für Aufsehen sorgte im April der Bergschaden unter der A 40 in Essen. War die Komplettsperrung tatsächlich nötig?

So ein Stollen ist eine schlafende Gefahr, die beseitigt werden muss. Dafür sollten die Menschen Verständnis haben, auch wenn der Verkehr seit Jahrzehnten unbeschadet über diese Stelle rollte.

Wie können sich Privatleute schützen, die im Ruhrgebiet ein Haus bauen oder kaufen wollen?

Indem Sie auf unsere Internetseite www.gdu.nrw.de gehen. Dort sind alle Bereiche mit Bergschäden im südlichen Ruhrgebiet kartiert. Aus Datenschutzgründen können wir Angaben für ein konkretes Grundstück nur auf Anfrage machen.

Kommen wir zu Löchern im Boden, die noch nicht gebohrt sind. Fracking ist bei uns umstritten, in den Niederlanden nicht. Dort soll es jetzt immerhin eine Umweltverträglichkeitsprüfung geben.

Nach EU-Recht müssen die grenznahen deutschen Kommunen an diesem Verfahren beteiligt werden. Wenn es so weit ist, werden wir auf unsere holländischen Kollegen zugehen.

Zurück zur Steinkohle. Der Abbau läuft 2018 aus. Bedauern Sie das?

Die deutsche Steinkohle ist auf dem Weltmarkt einfach nicht konkurrenzfähig. Der Abbau in Tiefen ab 1500 Metern wäre zwar technisch denkbar, aber ökonomisch nicht zu realisieren. Selbst wenn – wir müssten auf der grünen Wiese praktisch wieder komplett von vorne anfangen. Trotzdem werden wir unsere fossilen Energieträger, die heimische Braunkohle und die Import-Steinkohle, noch lange brauchen.

Trotz der Energiewende?

Ja. Für den Energiemix. Die Energiewende halte ich für eine riesige Chance speziell für NRW. Hier sehe ich große Marktchancen.