Berlin. . Der Taxiverband schlägt Alarm: Gilt der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde auch für diese Branche, seien 200 000 Jobs in Gefahr. 100 000 Stellen drohen im Gastronomiebereich wegzufallen. Probleme sieht auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger auf sich zukommen – wenn es keine Nachbesserungen gibt.

Etwa 50 000 Taxifahrern drohe Arbeitslosigkeit – das befürchtet der Branchenverband als Folge des gesetzlichen Mindestlohns. Nichts Gutes bedeute dieser auch für Zeitungszusteller, warnen die Arbeitgeber und fordern Zugeständnisse der Politik. Am heutigen Donnerstag debattiert der Bundestag erstmals über das Mindestlohn-Gesetz. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wer profitiert?

Grundsätzlich sollen alle abhängig Beschäftigten ab Anfang 2015 mindestens 8,50 Euro pro Stunde verdienen. In manchen Branchen mit speziellen Tarifverträgen existieren Übergangslösungen bis 2017. Inzwischen kämen rund vier Millionen Beschäftigte, die bisher sehr wenig verdienten, in den Genuss solcher Regelungen, erklärte die Hans-Böckler-Stiftung der Gewerkschaften. Fleischindustrie, Friseurgewerbe, Leiharbeit, Gebäudereiniger, Wachdienste, Altenpflege – in diesen und anderen Berufsfeldern liegt die unterste Bezahlung mittlerweile bei mindestens 8,50 Euro oder soll bald entsprechend steigen. Die Absicht von SPD und Union, den Mindestlohn einzuführen, hat die Entwicklung beschleunigt.

Gibt es Probleme?

Wenn die Löhne steigen, könnten manche Tätigkeiten für die Firmen zu teuer werden. Dann besteht die Gefahr, dass die Arbeitgeber diese Stellen streichen. Als Beispiel nennt das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung den Bereich der sogenannten Minijobs, bei denen Arbeitnehmer beispielsweise als Bedienung in Restaurants höchstens 450 Euro monatlich verdienen dürfen. Um diese Grenze auch bei höherem Mindestlohn einzuhalten, müssten sie ihre Stundenzahl reduzieren. Etwa 100 000 Stellen könnten verloren gehen, weil sie sich für die Firmen nicht mehr rechnen, hat das Ifo-Institut errechnet.

Wie sieht es bei Taxis aus?

Viele angestellte Taxifahrer und -fahrerinnen werden von den Besitzern der Wagen nach Erfolg bezahlt. Ihr Verdienst richtet sich auch nach der Anzahl der beförderten Kunden und der gefahrenen Kilometer. Müssen die Firmen nun 8,50 Euro pro Stunde unabhängig von der Leistung entrichten, würde etwa ein Viertel der rund 200 000 Taxifahrer in Deutschland ihre Stellen verlieren. Das befürchtet Thomas Grätz, Geschäftsführer des Taxi- und Mietwagenverbands.

Das sagt die Große Koalition

Die Union betont, dass es keine weiteren Ausnahmen vom Mindestlohn für Zeitungszusteller, Taxifahrer oder andere Berufsgruppen geben werde. Allerdings setze man sich für „flexible Übergangsregelungen im Gesetz“ ein, die eine stufenweise Erhöhung der Löhne in den kommenden Jahren erlauben, auch wenn in einer Branche kein entsprechender Tarifvertrag existiert.

Die SPD lehnt zusätzliche Ausnahmen vom Mindestlohn kategorisch ab und verweist auf die Möglichkeit, schnell Tarifverträge abzuschließen.

Eine Lösung für die Taxis?

Helfen würde ein Tarifvertrag über den Mindestlohn zwischen dem Verband und der Gewerkschaft Verdi. Wird dieser schnell abgeschlossen, gilt eine Übergangsfrist mit stufenweiser Anhebung der Löhne bis Anfang 2017. In dieser Zeit könnten die Taxiverbände mit den Kommunen über höhere Fahrpreise verhandeln. Verdi hat einen solchen Tarifvertrag angeboten, der Verband würde ihn gerne abschließen. Das Problem: Bisher ist es der Spitze des Taxi- und Mietwagensverbandes nicht gelungen, eine ausreichende Mehrheit der Mitglieder für die Aufnahme von Tarifverhandlungen zusammenzubekommen. Demnächst will man einen neuen Versuch starten.

Und die Zeitungen?

In dieser Branche geht es um die rund 160 000 Zeitungszusteller, die die Blätter bundesweit in die Briefkästen stecken. Sie werden in der Regel mit einem Stücklohn bezahlt, der von der Anzahl ausgetragener Zeitungen und der Größe des Zustellbezirks abhängt. Die einfache Umstellung auf den Mindestlohn hält der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger für unmöglich, weil dann zusätzliche Kosten von über 200 Millionen Euro zu Buche schlügen. Geschäftsführer Jörg Laskowski plädiert dafür, dass der Stücklohn bleiben darf. Das Angebot von Verdi, einen Tarifvertrag abzuschließen, lehnt der Verband bislang ab.

Wohltätigkeitsorganisationen

In der Mitgliederwerbung für große wohltätige Organisationen oder auch Umweltverbände wird oft vornehmlich erfolgsbasiert entlohnt. Werben die studentischen Teilzeitkräfte in Fußgängerzonen oder bei Hausbesuchen viele neue Mitglieder, verdienen sie ganz gut. Haben sie weniger Erfolg, gehen sie fast ohne Lohn nach Hause.

Folgen für den Arbeitsmarkt

Neben der Kürzung von Jobs könnte es durch den gesetzlichen Mindestlohn zur Umdefinition von Beschäftigungsverhältnissen kommen. Aus Angestellten würden Selbstständige, deren Bezahlung nicht dem Mindestlohngesetz unterliegt. Die Rentenversicherung muss dann überprüfen, ob es sich um Scheinselbstständige handelt, die nur für einen Arbeitgeber arbeiten.